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    Die Auswirkungen des Brexits auf die Automobilindustrie

    Der VDA unterstützt ein ökonomisch enges Verhältnis zu dem Vereinigten Königreich. Nur so können Arbeitsplätze in der Automobilindustrie auf beiden Seiten des Ärmelkanals erhalten bleiben und Investitionen geschützt werden.

    Der VDA unterstützt ein ökonomisch enges Verhältnis zu dem Vereinigten Königreich. Nur so können Arbeitsplätze in der Automobilindustrie auf beiden Seiten des Ärmelkanals erhalten bleiben und Investitionen geschützt werden.

    Das Vereinigte Königreich ist nicht mehr Teil der EU: Was jetzt passiert

    2016 hat die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs für den Austritt aus der Europäischen Union gestimmt. Mit dem 31. Januar 2020 wurde der Brexit nun vollzogen, bis Ende des Jahres sollen in einer Übergangsphase die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und der EU neu geregelt werden. Bisher war die Zusammenarbeit der Automobilindustrie im Vereinigten Königreich mit den anderen EU-Staaten sehr eng und auf Grundlage des gemeinsamen Binnenmarktes ausgerichtet. Entsprechend hoch sind die Erwartungen an die neu zu gestaltenden Leitlinien der Handelspolitik.

    Aktuell stehen zahlreiche Fragen im Raum, die im Laufe des Jahres unter hohem Zeitdruck ausgearbeitet und beantwortet werden müssen. Zu Beginn der Übergangszeit beschäftigt Hersteller und Zulieferer etwa, inwieweit Handelsabkommen, die die EU mit dritten Partnern geschlossen hat, auch aus Sicht der Vertragspartnerstaaten weiterhin für Waren aus dem Vereinigten Königreich Gültigkeit besitzen.

    Diese Frage ist für die Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie von hoher Bedeutung. Aktuell sind Wirtschaftsvertreter der Auffassung, dass für Waren aus dem Vereinigten Königreich die bisherigen Regelungen zunächst weiterhin gelten. Da es jedoch keinen Präzedenzfall für den Austritt eines Mitglieds aus der EU gibt, fehlt es zunächst an handfesten Regelungen, meint Ralf Diemer, Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik, Handels- und Klimaschutzpolitik, Europapolitische Koordinierung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA).

    Unsicherheit beeinflusst unternehmerische Investitionen

    Seit der Abstimmung für den Brexit lässt sich eine Unsicherheit beobachten, die nicht nur die Automobilindustrie, sondern die gesamte britische Wirtschaft ergriffen hat. Bereits seit einigen Jahren zeigt sich ein deutlicher Abwärtstrend – allerdings von einem hohen Ausgangsniveau. Dieser konnte bislang gut abgefedert werden, ohne dass Kapazitäten reduziert werden mussten. Die Unsicherheit hat unter anderem dazu geführt, dass Investitionsentscheidungen nicht getroffen oder auf unbestimmte Zeit zurückgestellt wurden. Hier sind rasche, klare Entscheidungen in der Handelspolitik gefragt, um den Abwärtstrend zumindest abzumildern, sagt Ralf Diemer. Für die Neuordnung des Verhältnisses zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU bleibt jedoch nicht viel Zeit: Bis zum Ablauf der Übergangsfrist Ende 2020 sollen die neuen Rahmenbedingungen feststehen.

    Da Premierminister Boris Johnson eine Verlängerung der Übergangsphase klar ausgeschlossen hat, könnte es deshalb sein, dass Ende des Jahres erneut die Frage nach einem harten Brexit ohne Abkommen im Raum steht. Unter Beobachtern gilt eine Einigung innerhalb eines Jahres auf ein umfangreiches Handelsabkommen zumindest als fragwürdig. Erfahrungsgemäß bedarf ein solches Übereinkommen umfangreicher Verhandlungen, um die extrem komplexen Zusammenhänge zu ordnen, Regelungen auszuloten und diese in ein Abkommen zu überführen. Das zeigt beispielsweise das Handelsabkommen CETA zwischen Kanada und der EU, das über einen Zeitraum von sieben Jahren verhandelt wurde und das noch immer nicht vollständig in Kraft getreten ist. Daher gilt es jetzt für alle Beteiligten, sich für ein möglichst liberales, umfassendes Abkommen einzusetzen. Insbesondere müssen für alle Ursprungswaren – Fahrzeuge und Kfz-Teile – Nullzollsätze vereinbart werden, und die Zollabwicklung muss vereinfacht werden. Damit würden zumindest etwaige Zölle als zusätzliche Kosten für die Unternehmen so gering wie möglich gehalten werden.

    VDA unterstützt brancheninternen Austausch

    Traditionell ist Großbritannien ein wichtiger Markt für die Automobilindustrie. Mehr als 650.000 Pkw werden pro Jahr von Deutschland aus nach Großbritannien geliefert. Gleichzeitig exportieren die Werke im Vereinigten Königreich etwas mehr als 80 Prozent ihrer Produktion, sodass die dortige Automobilindustrie sehr stark von offenen Märkten abhängt. Ein harter Brexit könnte im schlimmsten Fall zu Unterbrechungen der Lieferketten und Produktionsabläufe führen – aber selbst im Falle eines Handelsabkommens sind Schwierigkeiten bei der Anpassung an die neuen Gegebenheiten zu erwarten.

    Unmittelbar nach der Entscheidung der britischen Bevölkerung für den Brexit hat der VDA eine Taskforce ins Leben gerufen, die sich für die Belange aller Mitglieder, Hersteller und Zulieferer einsetzt. Dabei geht es um ganz praktische Fragen der Vorbereitung auf das neue Verhältnis, etwa um die Gestaltung interner Prozesse und die gegenseitige Unterstützung im kartellrechtlich gegebenen Rahmen. Gleichzeitig setzt sich der VDA für einen für die Automobilindustrie möglichst unterstützenden politischen Rahmen ein. Klar ist: Ein vernünftiges und enges Verhältnis zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU ist für die Automobilindustrie von großer Bedeutung. Aus diesem Grund wird der VDA die Verhandlungen auch weiterhin eng verfolgen und die Wünsche seiner Mitglieder für die Ausgestaltung der künftigen Handelsbeziehungen einbringen.

    Ansprechpartnerin

    Angela Mans

    Leiterin Fachgebiet Außenwirtschaft, Handel und Zölle

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