Wissmann: Wettbewerbsvorsprung Deutschlands nicht verspielen, sondern verbessern

    Berlin, 29. Januar 2013

    „Die Leistung und Stärkung unserer Wettbewerbs-fähigkeit, die Politik, Unternehmen und Gewerkschaften gemeinsam in den vergangen Jahren erreicht haben, dürfen wir nicht aufs Spiel setzen. Vergessen wir nicht: Vor Jahren galt Deutschland als ‚kranker Mann Europas‘. Vor acht Jahren litt Deutschland unter der Zahl von rund 5 Millionen Arbeitslosen. Wir müssen unseren heutigen Wettbewerbsvorsprung wahren, unsere Wettbewerber sind blitzwach“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf dem VDA-Neujahrsempfang vor rund 800 hochrangigen Gästen, darunter Bundesverkehrsminister Dr. Peter Ramsauer, Frank-Walter Steinmeier, Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, und Dr. Jens Weidmann, Präsident der Deutschen Bundesbank, der eine Rede hielt, sowie zahlreiche Mitglieder des Deutschen Bundestages, Landesminister und Staatssekretäre. Botschafter aus der ganzen Welt waren ebenfalls zu Gast.

    Der VDA-Vorstand war mit den VDA-Vizepräsidenten Dr.-Ing. Jürgen Geißinger, Schaeffler AG; Ulrich Schöpker, Schmitz Cargobull AG und Dr. Dieter Zetsche, Daimler AG, sowie den Vorstandsmitgliedern Dr. Daniel Böhmer, Franz Xaver Meiller Fahrzeug- und Maschinenfabrik GmbH & Co. KG; Elmar Degenhart, Continental AG; Arndt G. Kirchhoff, Kirchhoff Automotive GmbH; Bernhard Mattes, Ford-Werke GmbH; Gertrud Moll-Möhrstedt, Akkumulatorenfabrik Moll GmbH & Co. KG; Matthias Müller, Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG; Dr. Stefan Sommer, ZF Friedrichshafen AG; Prof. Rupert Stadler, Audi AG; Prof. Dr. Martin Winterkorn, Volkswagen AG, und Dr. Stefan Wolf, ElringKlinger AG, auf dem Neujahrsempfang vertreten.

    „Wir – als Automobilindustrie – brauchen den europäischen Binnenmarkt und wollen eine leistungsfähige EU. Der Euro ist und bleibt unsere Währung. Zu Recht hat die Bundeskanzlerin aber immer wieder darauf geachtet, Solidarität nur unter der Bedingung zu gewähren, dass die Schuldensucht in den Krisenstaaten bekämpft und deren Wettbewerbsfähigkeit erhöht wird“, sagte Wissmann. Die Bundesbank trete zu Recht immer wieder für strenge geldpolitische Regeln ein, auch die EZB habe richtige Signale gesetzt, betonte der VDA-Präsident.

    „Für die Zukunft kommt es darauf an, dass in ganz Europa der Wettbewerbsgedanke gestärkt wird. Die Basis einer gesunden Volkswirtschaft bleibt eine vitale Industrie. Dafür – überall in Europa – bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, ist eine große politische Herausforderung“, sagte Wissmann. „Wenn der eine oder andere auf der britischen Insel oder auf dem Kontinent mit dem Abschied Großbritanniens aus der EU spielt, so ist das leichtfertig. Wir brauchen Großbritannien – übrigens unser wichtigster Exportmarkt – auch zukünftig als Mitglied der EU“, unterstrich Wissmann.

    Er halte es für richtig, so Wissmann weiter, dass die deutsche Bundeskanzlerin in Davos appelliert habe, an der Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit weiter zu arbeiten: „Es gibt keinen verantwortbaren Grund, das im Wahljahr zu vernachlässigen. Erfreuliche Bekenntnisse auch aus Brüssel zur Industrie Europas messen wir an den Taten für die Industrie und den wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen.“

    Deutschland habe Jahre gebraucht, um die Arbeitslosenzahlen nach unten zu drücken: „Die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland war nie so hoch wie jetzt. Das ist soziale Marktwirtschaft im besten Sinne, das ist sozial und gerecht. Unsere Unternehmen stehen vor erheblichen Investitionsentscheidungen im wachsenden Wettbewerb“, so Wissmann. Das müsse auch bei der Steuerpolitik berücksichtigt werden. Er verwies kritisch auf Vorschläge zur Neuauflage einer Vermögensteuer oder -abgabe und zur Erhöhung der Belastung bei Erbschaftsteuer und Einkommensteuer für die nächste Legislaturperiode, die vor allem die Familienunternehmen stark belasten würden.

    „Investitionen von heute sind die Arbeitsplätze und Sozialleistungen von morgen. Darum brauchen wir eine kluge Steuerpolitik und eine zukunftsorientierte Forschungsförderung, die die Innovations- und Investitionskraft der Industrie stärken, anstatt Industrie- und Familienunternehmen in ihrer Substanz und Ertragskraft zu schwächen“, betonte Wissmann. „Das Jahr 2012 war für unsere Industrie ein gutes Autojahr – wenn auch der Gegenwind deutlich zugenommen hat“, bilanzierte der VDA-Präsident. In einigen Ländern Westeuropas sei die Pkw-Nachfrage allerdings zum Teil dramatisch zurückgegangen: in Italien um 20 Prozent, in Frankreich um 14 Prozent, in Spanien um 13 Prozent. „Dagegen war Deutschland mit lediglich einem Minus von 3 Prozent ein wahrer Stabilitätsanker“, unterstrich Wissmann.

    Die deutschen Hersteller hätten zudem die Chance der Globalisierung viel eher als ihre Wettbewerber genutzt und sich weltweit engagiert: „Inzwischen werden mehr Neuwagen deutscher Konzernmarken im Ausland produziert als im Inland. Drei von vier in Deutschland produzierten Pkw gehen in den Export. Das kommt auch deutschen Arbeitsplätzen zugute. Gerade von den Wachstumsmärkten in China, Russland und den USA kommt die größte Nachfrage“, sagte Wissmann.

    Deutschland ist Exportland. Wissmann betonte: „Der deutsche Außenhandelsbilanz-überschuss wird weltweit als Stärke der deutschen Wirtschaft anerkannt. Umso unverständlicher ist es, wenn einige in der EU sich über unsere Exportüberschüsse beklagen. Es wäre besser, alle würden ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Es muss auch in Europa der Grundsatz gelten: Wir orientieren uns an den Starken, nicht an den Schwachen.“

    Die deutsche Automobilindustrie habe 2012 ihren weltweiten Umsatz auf rund 360 Mrd. Euro gesteigert (2011: 351 Mrd. Euro). Die Zahl der Beschäftigten (Stammbelegschaften) betrage allein im Inland 747.600 Mitarbeiter und liege damit um knapp 17.000 über dem Vorjahreswert. „Um es ganz klar zu sagen: Unsere Basis ist Deutschland. Hier sind und bleiben unsere Wurzeln. Aber wir sind auch deshalb so erfolgreich, weil wir weltweit präsent sind“, unterstrich Wissmann. Der Pkw-Weltmarkt werde auch 2013 wachsen. Dabei werde das Wachstum weiterhin vor allem von den USA und China getragen. Allerdings bleibe das Automobilgeschäft in Westeuropa weiterhin schwierig: „Wir rechnen weltweit mit einem Marktvolumen von etwa 70 Mio. Pkw und wollen unseren hohen Anteil daran halten und wo möglich ausbauen“, sagte Wissmann. 2013 werde ein forderndes Arbeitsjahr für die deutsche Automobilindustrie.