Wissmann: Die Innovationskraft der deutschen Industrie lebt von mittelständischen Unternehmen

    Berlin, 22. Mai 2013

    „Die Bedeutung des industriellen Mittelstands und seiner Familienunternehmen für Deutschland kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Er bildet mit rund 80 Prozent der Arbeitsplätze den mächtigsten Pfeiler der deutschen Wirtschaft“, betonte Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), auf dem 13. VDA-Mittelstandstag, der am 23. und 24. Mai 2013 unter dem Motto „Mittelständische Automobilindustrie: Mit neuen Konzepten in die Zukunft?“ in Bonn stattfindet. Mit über 250 hochrangigen Gästen aus Wirtschaft und Politik, darunter Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen, Prof. Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender Audi AG, Arndt G. Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff Gruppe und Vorsitzender des Mittelstandsausschusses des BDI, und Heinz-Gerhard Wente, Vorstandsmitglied der Continental AG, bietet der VDA-Mittelstandstag auch in diesem Jahr eine prominent besetzte Bühne für einen konstruktiven Austausch zwischen mittelständischen Unternehmern.

    „Die Innovationskraft der deutschen Industrie lebt von den mittelständischen Unternehmen. Die Zulieferer etwa erbringen 75 Prozent der Wertschöpfung eines Automobils. Viele sind auf ihrem Technologiefeld Weltmarktführer. Doch Energiewende, Eurokrise, die schwierige Konjunktur in Europa, zunehmender Protektionismus und drohende neue Steuerbelastungen stellen den deutschen Mittelstand vor besondere Herausforderungen. Die Politik muss die Unternehmen bei der Bewältigung dieser Aufgaben tatkräftig unterstützen. Die bisher erreichten Erfolge, dürfen nicht aufs Spiel gesetzt werden“, forderte Wissmann.

    Mittelständische Unternehmer seien heute gefordert, weltweit präsent und gleichzeitig flexibel zu sein, sagte der VDA-Präsident. „Es gilt, frühzeitig die richtigen Investitionsentscheidungen zu treffen, um die Betriebe dauerhaft konkurrenzfähig zu halten. Sie stehen vor der nicht leichten Aufgabe, die globalen Entwicklungen zu antizipieren und hierfür die entsprechende Strategie zu entwickeln“, so Wissmann.

    Er forderte von der Politik stabile und verlässliche Rahmenbedingungen am Produktionsstandort Deutschland. „Deutschland steht derzeit noch gut da. Von den strukturellen Reformen und der klugen Tarifpolitik in den vergangenen Jahren haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber gemeinsam profitiert. In der deutschen Automobilindustrie ist die Beschäftigung im vergangenen Jahr auf über 742.000 Mitarbeiter gestiegen. Damit sind in den letzten zwei Jahren über 40.000 neue Arbeitsplätze am Standort Deutschland entstanden.“

    Wissmann warnte vor neuen Steuerbelastungen die Familienunternehmen besonders träfen. „Steuerkonzepte zur Vermögensabgabe oder Vermögenssteuer treiben unseren Mittelständlern Schweißperlen auf die Stirn.“ Wissmann betonte, dass eine Vermögensteuer als Substanzsteuer insbesondere ertragsschwache Betriebe eindeutig überfordere und sich ausgerechnet in konjunkturellen Schwächephasen krisenverschärfend auswirke. „Wenn die Steuerschraube überdreht wird, leiden Wachstum und Beschäftigung. Das würde dem Standort Deutschland schaden und insgesamt zu geringeren Steuereinnahmen führen“, sagte der VDA-Präsident.

    Wissmann sprach auch das von der EU-Kommission vorgeschlagene CO 2 -Ziel für Pkw in Höhe von 95 g CO 2 /km für das Jahr 2020 an. Europa setze sich damit die weltweit strengsten CO 2 -Vorgaben. „Um dieses sehr anspruchsvolle CO 2 -Ziel erreichen zu können, muss ein erheblicher Anteil der neu zugelassenen Autos mit alternativen Antrieben ausgestattet werden. Das muss auch bei der Regulierung zwingend berücksichtigt werden. Die europäische Politik darf Innovationen nicht bremsen, sondern muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, um neue Technologie-entwicklungen zu beschleunigen. Angesichts des zunehmend härter werdenden internationalen Wettbewerbs benötigt die Industrie eine intelligente und aktive Flankierung durch die Politik. Nur gemeinsam können Wirtschaft, Gewerkschaft und Politik die herausfordernde Aufgabe meistern, den Produktionsstandort Deutschland wetterfest zu machen. Wir brauchen mehr Wachstum und mehr Innovation“, so Wissmann.

    Prof. Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender Audi AG, führte in seiner Rede mit dem Titel „Premium im globalen Wettbewerb. Wie sichern wir den gemeinsamen Erfolg?“ aus, dass drei Viertel der Wertschöpfung im Automobil bei den Zulieferern entstehen. „Auch wenn Sie beim Kunden nicht so stark wahrgenommen werden, gilt: Mit technischen Innovationen unterstreichen die mittelständischen Zulieferer den Spitzenruf des Automobil-Produktionsstandortes Deutschland. Sie haben sich weltweit eine Führungsrolle erarbeitet.“ Internationalisierung, so Stadler, bedeute für die Automobil- und Zulieferindustrie zusätzliche Kapazitäten und Wachstum im Ausland wie im Inland. „Wir beschäftigen mit jedem Auto, das wir andernorts bauen, immer auch Mitarbeiter in Deutschland. Bei der Globalisierung, die ich meine, sprechen wir nicht von Verlagerung.“ Stadler betonte, dass für die Automobilindustrie ein klares Nein zu Steuer- und Abgabeerhöhungen wichtig sei. Steuererhöhungen wirkten wachstumshemmend und schadeten dem Industriestandort Deutschland. Sie führten zu Wettbewerbsnachteilen für die deutschen Unternehmen. „Wer international agieren will, muss auch international produzieren. Wenn sich der deutsche Mittelstand global aufstellt, wird er robuster gegen regionale Risiken. Internationalisierung bedeutet für uns auch, gemeinsam im Verband gegen Protektionismus vorzugehen. Handelshemmnisse sind nicht mehr zeitgemäß, sie behindern den Export unserer Produkte“, unterstrich Stadler.

    Arndt G. Kirchhoff, Geschäftsführender Gesellschafter der Kirchhoff Gruppe, Vorsitzender des Mittelstandsausschusses des BDI, Vorsitzender des VDA-Mittelstandskreises und Mitglied des VDA-Vorstands, stellte in seiner Rede das Thema Globalisierung in den Mittelpunkt. Die Abhängigkeit der deutschen Automobilindustrie von den Auslandsmärkten sei besonders ausgeprägt. Über 85 Prozent der deutschen Automobilproduktion im In- und Ausland werde außerhalb Deutschlands verkauft. „Die deutsche Automobilindustrie profitierte im letzten Jahr ganz besonders von dem eingeschlagenen Pfad. Während über Westeuropa, bedingt durch die Staatsschuldenkrise, dunkle Wolken zogen, konnten die deutschen Premiumhersteller aufatmen, denn vor allem in China und Nordamerika behielten sie ihren Glanz und setzten das dynamische Wachstum der letzten Jahre fort. Eine hohe Auslandsnachfrage ist aber auch ein Zeugnis für die hohe Wertschätzung unserer Produkte. Auch in Zukunft werden mittelständische Unternehmen einen wesentlichen Beitrag zum Erfolg der deutschen Automobilindustrie leisten“, so Kirchhoff.

    Heinz-Gerhard Wente, Vorstandsmitglied der Continental AG und Leiter des Konzernbereichs ContiTech wies in seiner Rede mit dem Titel: „Präsent auf allen Märkten? Strategien für eine erfolgreiche Zukunft“ darauf hin, dass Automobilzulieferer dort produzieren müssten, wo die Kunden sind. „Unsere Strategie, frühzeitig in Wachstumsmärkte wie Asien, aber auch Brasilien und Osteuropa zu investieren, macht uns heute weniger anfällig für die wirtschaftlichen Turbulenzen in anderen Teilen der Erde. Damit stärken wir insgesamt unsere weltweite Präsenz – auf allen relevanten Märkten“, sagte Wente.

    Garrelt Duin, Minister für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes Nordrhein-Westfalen, war der Einladung des VDA-Präsidenten gefolgt und sprach vor den Gästen über „Mittelstand im Mittelpunkt – was tut das Land, was kann der Bund?“ Duin wies auf das hohe Innovationspotential und die Flexibilität des Mittelstands hin: „Gerade kleine und mittlere Unternehmen entdecken Marktlücken und Nischen schneller als andere. Und nutzen diese für die Entwicklung neuer kundenorientierter Produkte, Verfahren und Dienstleistungen. Dieses Innovationspotenzial wollen wir stärken.“ In Nordrhein-Westfalen, so Duin, wolle man die Bedingungen für die mittelständischen Unternehmen so gestalten, dass sie ihre Flexibilität, Schnelligkeit und Innovationskraft optimal entfalten können: „Mit dem neuen Mittelstandsgesetz, das der Landtag im letzten Dezember beschlossen hat, leisten wir einen Beitrag dazu. Kernstück des neuen Gesetzes ist ein bundesweit einmaliges Clearingverfahren. Es dient der Überprüfung aller relevanten Gesetzes- und Verordnungsvorhaben der Landesregierung auf Mittelstandsverträglichkeit.“

    „In ihrer Innovationskraft stehen die mittelständischen Zulieferer der deutschen Automobilindustrie den Global Playern in nichts nach“, sagte VDA-Geschäftsführer Klaus Bräunig auf dem Mittelstandstag. „Mit Entwicklungen wie Spurhalte- oder Notbremsassistent tragen sie erheblich zur Leistung der deutschen Automobilindustrie bei, auch bei der Optimierung konventioneller und der Weiterentwicklung alternativer Antriebstechnologien sind ihre Kompetenzen unverzichtbar“, erläuterte Bräunig. Die deutschen Zulieferer seien weltweit mit mehr als 1.500 Produktionsstandorten vertreten, davon über 200 allein in China. Doch die internationale Konkurrenz nehme zu: „Die mittelständischen Betriebe können langfristig nur erfolgreich sein, wenn sie auf den internationalen Märkten präsent sind.“