Ukraine-Krieg

    Mit Mitgefühl und Konsequenz

    Der VDA verurteilt den russischen Krieg gegen die Ukraine scharf. Die Branche handelt.

    Der VDA verurteilt den russischen Krieg gegen die Ukraine scharf. Die Branche handelt.

    Seit Ende Februar gibt es Krieg in Europa. Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine stellt einen tiefen Einschnitt in der Geschichte unseres Kontinents dar. "Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie verurteilen den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Unsere Gedanken und unsere Solidarität sind bei den betroffenen Menschen", sagt VDA-Präsidentin Hildegard Müller und betont: "Es sind unsere europäischen Nachbarn, die ein Recht auf eine selbstbestimmte Entwicklung und Zukunft ihres Landes haben!" 

    Unterstützung für wirtschaftliche Sanktionen

    Die deutsche Automobilindustrie steht hinter den wirtschaftlichen Sanktionen der EU, die die Politik der Aggression Moskaus entgegensetzt. Dies hat Konsequenzen: Im vergangenen Jahr haben deutsche Hersteller 170.000 Pkw in Russland gefertigt, vornehmlich für den dortigen Markt, der Anteil deutscher Marken beträgt rund 20 Prozent. Bei den Pkw-Exporten aus Deutschland steht Russland auf Platz 18, (2021: 36.000 Pkw aus Deutschland nach Russland). Für die mittelständischen Herstellern von Anhängern und Aufbauten ist die Bedeutung des russischen Markts mitunter größer. 

    Die Betroffenheit der Automobilindustrie geht aber weit über den Absatzmarkt hinaus: Wir erwarten empfindliche Effekte auf Liefer- und Logistikketten mit Rückwirkungen auf Fabriken in Deutschland und Europa aber auch andernorts. Gerade vor dem Hintergrund, dass die Sanktionen nicht kurzfristig angelegt sind.

    Wir befinden uns im ständigen Austausch mit Politik und Unternehmen, um ein Gesamtbild über die Sicherheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kriegsgebiet und die ökonomischen Lage zu erstellen. Dabei sind die Konsequenzen der Aggression auf unsere Industrie noch nicht komplett absehbar. 

    Detaillierte Informationen zu den Sanktionen finden Sie beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle.

    Unterbrechung der Lieferketten

    Allerdings wird jetzt schon deutlich, dass die Kriegshandlungen Russlands zu einer unmittelbaren Unterbrechung von Lieferketten führen. Die Ausgangslage war schon vor Beginn des Krieges sehr schwierig. Wir erwarten neue Störungen der Lieferketten etwa durch ausbleibende Lieferungen aus der Ukraine und Russland, Einschränkungen im Schiffs- und Luftverkehr sowie bei Eisenbahnverbindungen und auch weil Mitarbeiter von Zulieferunternehmen in der Ukraine den Streitkräften beitreten.

    Bei den Vorprodukten waren aufgrund der weltweiten Pandemie bereits vor Kriegsausbruch die Lagerbestände in einigen Bereichen weitgehend erschöpft. Die durch den Krieg hinzu kommenden Unterbrechungen bei Zug- und Schiffsverbindungen sowie Einschränkungen im Luftverkehr haben bereits deutliche Auswirkungen auf die Liefer- und Logistikketten, wir erwarten daher auch bei zahlreichen Komponenten eine weitere Verschärfung der Versorgungslage.

    Engpässe bei Kabelbäumen

    Um nur ein Beispiel großer Betroffenheit zu geben: insbesondere ist derzeit die Produktion von Kabelbäumen betroffen. Sie bilden das zentrale Nervensystem des Fahrzeugs und verbinden unterschiedlichste Komponenten. Dementsprechend komplex ist der Aufbau, teilweise werden sie nach Fahrzeugmodell individuell angefertigt. Auf Grund dieser Komplexität ist eine kurzfristige Umschichtung der Produktion schwierig, Lagerbestände sind kaum vorhanden.

    Weil neben Tunesien bislang vor allem die Ukraine europäische Hersteller die Versorgung europäischer Hersteller mit diesem Bauteil gesichert hat, sind unmittelbare Engpässe aufgetreten, die bereits zu Unterbrechungen der Produktion geführt haben. Die Automobilindustrie arbeitet mit Hochdruck am Auf- und Ausbau alternativer Produktionsstätten. Klar ist auch: Angesichts der Kurzfristigkeit der Aufgabe ist das eine echte Herausforderung.

    Knappheit von Rohstoffen

    Neben dieser unmittelbaren Auswirkung muss sich die Automobilindustrie langfristig auch mit Knappheit und Preisanstieg bei Rohmaterialien auseinandersetzen, die insbesondere aus Russland und der Ukraine bezogen werden.

    So ist die Ukraine einer der wichtigsten Lieferanten für Neon-Gas. Wir erwarten in diesem Zuge Auswirkungen auf die europäische Halbleiterproduktion, da Chips bereits jetzt Mangelware sind. Bei der Halbleiterproduktion kommen Hochleistungs-Laser zum Einsatz, die unter anderem das Edelgas benötigen.

    Aus Russland wurden bisher unter anderem Palladium und Nickel importiert. Während Palladium insbesondere für Katalysatoren benötigt wird, ist Nickel entscheidend für die Produktion von Lithium-Ionen-Batterien. Die wiederum sind besonders für den Umstieg auf Elektromobilität von entscheidender Bedeutung, dementsprechend erwarten wir grundsätzlich einen Anstieg des Nickel-Bedarfs.

    Probleme bei der Energieversorgung

    Bereits jetzt ist absehbar, dass es mittelfristig zu Problemen bei der Energieversorgung kommen könnte. So bezieht Deutschland neben Öl und Steinkohle beispielsweise aktuell gleich die Hälfte des insgesamt importierten Gases aus Russland. Hier sind massive Einschränkungen und Preiserhöhungen zu befürchten. Obwohl alternative Bezugsquellen mit Hochdruck geprüft werden, ist zumindest kurzfristig keine Rückkehr zur Normalität zu erwarten.

    Bei weiteren Rohstoffstoffen und Zulieferungen sind die genauen Auswirkungen derzeit noch nicht quantifizierbar, werden aber von uns geprüft.

    Wie sich die Gesamtsituation weiter entwickelt? Das können wir auf Grund der unvorhersehbaren Lage aktuell nicht seriös beurteilen. Fest steht aber: Es wird zu weiteren Beeinträchtigungen bei der Produktion von Fahrzeugen in Deutschland kommen. Wir werden regelmäßig über den Stand berichten.

    Als Verband ist es unsere Aufgabe, auch angesichts der furchtbaren Situation und der menschlichen Tragödien in der Ukraine die wirtschaftlichen Aspekte und Folgen des Ukraine-Kriegs zu beschreiben. Die Verantwortung unserer Unternehmen ist es, die Produktion wenn immer möglich in veränderter Form aufrecht zu halten, im Interesse der Beschäftigten, der Standorte und eines stabilen Europas.

    Ungeachtet dessen stehen für uns und unsere Mitgliedsunternehmen schnelle Hilfe und ein Ende der Kampfhandlungen im Vordergrund, viele unserer Mitglieder beteiligen sich daher an humanitären Initiativen.