Internationale Zusammenarbeit
Indien: Starker Partner, großes Potenzial
Der VDA arbeitet seit vielen Jahren intensiv mit indischen Automobilverbänden zusammen. Anlässlich der deutsch-indischen Regierungskonsultationen am 2. Mai haben wir einen Blick auf einige Projekte und die Chancen für beide Länder geworfen.
Der VDA arbeitet seit vielen Jahren intensiv mit indischen Automobilverbänden zusammen. Anlässlich der deutsch-indischen Regierungskonsultationen am 2. Mai haben wir einen Blick auf einige Projekte und die Chancen für beide Länder geworfen.
Am 2. Mai fanden in Berlin die sechsten Regierungskonsultationen zwischen Deutschland und Indien statt. Bundeskanzler Olaf Scholz traf Indiens Premierminister Narendra Modi, an den Beratungen waren auch zahlreiche Bundesministerinnen und Bundesminister beider Länder beteiligt. Auf der Agenda standen Themen, die auch für die Automobilindustrie von großer Bedeutung sind: etwa die Zusammenarbeit bei Klimaschutz, Energietransformation und die UN-Nachhaltigkeitsziele.
„Die Gespräche sollten insbesondere dazu genutzt werden, Indien dazu ermuntern, den Markt nicht weiter abzuschotten, sondern sich auch mit Blick auf internationale Absatzmärkte für die eigene Industrie zu öffnen“, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller und sagte weiter: „Der VDA unterstützt die Aktivitäten der Bundesregierung und der EU ausdrücklich, mit Indien ein Handels- und Kooperationsabkommen zu verhandeln. Dabei sollte die Zusammenarbeit in den Bereichen Rohstoffe und Energie weiter intensiviert werden.“
Die deutsch-indische Zusammenarbeit sollte auch in den Bereichen Rohstoffe und Energie weiter intensiviert werden.Hildegard MüllerPräsidentin Verband der Automobilindustrie e.V.
Außerdem ist Indien Deutschlands wichtigster Partner in der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit. Nicht zuletzt deshalb beeinflussen die Ergebnisse dieser Gespräche und die kommenden politischen Entscheidungen auch die Zusammenarbeit der beiden Länder im Automobilsektor.
So erläuterte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) anlässlich eines Besuchs in Neu-Delhi: „Eng mit der Energiewende verbunden ist auch die Förderung einer umwelt- und klimaverträglichen Mobilität. Auch damit ermöglichen wir gesellschaftliche Teilhabe und zudem kann damit auch ein Beitrag zur Senkung der Luftverschmutzung insbesondere in den großen Städten geleistet werden.“
Indien besitzt eine Schlüsselrolle bei globalen Herausforderungen wie dem Klimaschutz und dem Erreichen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Mit mehr als 1,3 Milliarden Einwohnerinnen und Einwohnern ist es die größte parlamentarische Demokratie der Welt. Entsprechend herausfordernd ist es, die gesellschaftliche Teilhabe der Menschen und wirtschaftliche Entwicklung des Landes zu fördern. An dieser Stelle setzt die deutsche Bundesregierung an – und sagte Indien 2019 die Rekordsumme von 1,614 Milliarden Euro zu. Die beiden gleichberechtigten Partner kooperieren mit Fokus auf strukturbildende Programme und haben dafür folgende Arbeitsschwerpunkte vereinbart:
- Erneuerbare Energien und Energieeffizienz
- Nachhaltige Stadtentwicklung
- Umwelt- und Ressourcenschutz
Partnerschaften mit ACMA und SIAM
Für die deutsche Automobilindustrie ist Indien ein wichtiger und zuverlässiger Partner: Deutsche Hersteller und Zulieferer sind mit mehr als 100 Standorten und Produktionsstätten in Indien vertreten. Bereits seit 2005 pflegt der Verband der Automobilindustrie gemeinsam mit dem Bundesentwicklungsministerium eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit den beiden indischen Automobilverbänden Automotive Component Manufacturer Association (ACMA) und Society of Indian Automobile Manufactures (SIAM).
Angela Mans, Leiterin des Fachbereichs Außenwirtschaft des VDA, begleitet die Kooperation: „Der Abschluss unseres Memorandum of Understanding mit ACMA und SIAM im Jahr 2005 war ein Meilenstein unserer Zusammenarbeit.“ An diesen Erfolg anschließend folgte durch Unterstützung der deutschen und indischen Regierungen die Gründung der Austauschplattform Indo-German Working Group on Automotive (IGWG).
Indo-German Working Group on Automotive
Ziel der IGWG ist es, einen intensiven Wissensaustausch und die Zusammenarbeit unter den Verbandsmitgliedern und ihren Mitgliedsunternehmen zu fördern. Dies geschieht unter anderem durch gemeinsame Konferenzen, Workshops, Studien, regelmäßige Delegationsreisen und die Zusammenarbeit bei Messen. Im Vordergrund stehen dabei Kernthemen wie Elektromobilität, autonomes Fahren und ein freier fairer Handel zwischen beiden Ländern.
„Wir sehen als Ergebnis dieser Partnerschaft vor allem einen nachhaltigen Know-how -Transfer bezüglich neuer Technologien und damit einen intensivierten Branchendialog“, sagt Marius Ochel. Ochel, der das Cluster „Internationale Verbändepartnerschaften Afrika & Indien“ beim VDA verantwortet, erklärt weiter: „Darüber hinaus haben wir den Branchendialog zu den Themen Elektromobilität, Digitalisierung und Industry 4.0 durch mehr als 25 digitale Events allein im letzten Jahr intensiviert.“ Zudem hätten die indischen Partnerverbände im Jahr 2021 mehr als 20 neue Dienstleistungen weiterentwickelt.
Auf Indiens Straßen waren Ende des Jahres 2019 etwa 54,2 Millionen Kraftfahrzeuge unterwegs. Dabei besitzen heute nur etwa 3 Prozent der indischen Bevölkerung ein Fahrzeug.
Im vergangenen Jahr war Indien erstmals der viertgrößte Pkw-Markt weltweit. 3,6 Millionen Pkw wurden produziert. Mit knapp über 3 Millionen verkauften Autos erreichte der Markt sein Niveau von vor der Corona-Pandemie. Im ersten Quartal 2022 zeigte sich ein vergleichsweise geringer Rückgang von einem Prozent.
Deutschland hat im Jahr 2021 automobile Waren wie Teile, Zubehör und Motorenteile im Wert von 505 Millionen Euro aus Indien eingeführt, 44 Prozent mehr als im Vorjahr. Damit belegt Indien am Warenwert gemessen den 25. Platz unter den importierenden Nationen.
Export: Im vergangenen Jahr hat Deutschland automobile Waren im Wert von 657 Millionen Euro nach Indien ausgeführt, 45 Prozent mehr als im Corona-Jahr 2020. Im Ranking der bedeutendsten Exportziele belegt Indien Rang 38.
Programm für Elektromobilität
Das Bundesentwicklungsministerium fördert in Indien außerdem auch den Ausbau der Netzinfrastruktur – was der Stromversorgung auf dem Land und in den Städten zugutekommt. Die Stärkung der Verteilnetze bringt neue Entwicklungsmöglichkeiten für die Elektromobilität. Diese Anreize sind wichtig, damit die indische Regierung die Ladeinfrastruktur und den Markt für Elektroautos stärkt.
Der VDA hilft Indien über Knowledge-Transfer mit seinen in Deutschland und weltweit gemachten Erfahrungen zur Elektromobilität.Marius OchelLeiter des Clusters „Internationale Verbändepartnerschaften Afrika & Indien“
„Indien setzt sich bei Elektromobilität besonders ehrgeizige Ziele: Es wurden eigene Regierungsprogramme zur Unterstützung des Hochlaufs der Elektromobilität und zum Aufbau einer Batteriezellfertigung ins Leben gerufen“, erklärt Experte Ochel. „Der VDA hilft Indien über Knowledge-Transfer mit seinen in Deutschland und weltweit gemachten Erfahrungen zur Elektromobilität.“
Herausforderungen: Importzölle und internationale Normungen
In diesem Zuge gilt es auch, Herausforderungen zu bewältigen. Aktuell bestehen in Indien Pläne für protektionistische Maßnahmen, um die nationale Electric-Vehicles-Strategie zu unterstützen. Um die Zusammenarbeit zu erleichtern, empfiehlt der VDA, dass zukünftig auch die Förderung für Importe von Elektrofahrzeugen als „Completely Built Units“ (vollständig montierte Autos) geöffnet wird. Weiterhin sollten die Importzölle für Elektrofahrzeuge gesenkt und alle Regelungen zur Standardisierung der Elektromobilität möglichst international harmonisiert werden.
Die EU ist heute Indiens drittwichtigster Handelspartner. Deshalb unterstützt der VDA die EU bei der Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen (FTA) mit Indien. Die im Jahr 2007 begonnenen Verhandlungen sind aufgrund von unterschiedlichen Interessen auf beiden Seiten derzeit unterbrochen. Ein vereinbartes Freihandelsabkommen könnte Hürden für den Handelsaustausch beseitigen und neuen Schwung in die bilaterale Kooperation bringen. Erste Gespräche sind für Juni 2022 geplant.
In diesem Zusammenhang befürwortet der VDA die Abschaffung sämtlicher Zölle auf Fahrzeuge und Komponenten. Zum Hintergrund: Derzeit sind beispielsweise die Einfuhrzölle für Fahrzeuge in Indien sehr hoch. Einschließlich der weiteren nationalen Zölle kann die Maximalbelastung für Importe bis zu 125 Prozent betragen.
Außerdem spricht sich der VDA für die Akzeptanz von EU-Zertifizierungen aus, die inhaltlich mit den indischen Standards weitgehend identisch sind. „Ein Beispiel: Die aktuellen Qualitätskontrollverordnungen für Sicherheitsglas und Felgen verlangen ein Kennzeichnungs- und Auditverfahren, das den Zertifizierungsaufwand in Indien verdoppelt“, erklärt Ochel. „Diese und ähnliche Regelungen stellen ein technisches Handelshemmnis dar und haben schwerwiegende Auswirkungen auf die Automobilindustrie, bis hin zum Produktionsstillstand. Deshalb hilft es besonders im Dialog zu bleiben: Regierungen, Behörden und Verbände müssen miteinander sprechen.“
Die Situation wird zusätzlich dadurch erschwert, dass unter anderem bei Qualitätskontrollverordnungen und weiteren Regulationen für die Automobilindustrie verschiedene Ministerien involviert sind – ein Wirrwarr an Kompetenzen und Erlässen ist die Konsequenz. Aus Sicht des VDA sollte künftig ein Ministerium zuständig sein, dass die Vorschriften für die Automobilindustrie erlässt.
Markt mit großen Erfolgschancen
Trotz dieser Herausforderungen blickt der VDA mit großem Respekt auf die Fortschritte, die die indische Automobilindustrie gemacht hat – und sieht zukünftig große weitere Potenziale für beide Partnerländer. Die Zusammenarbeit mit den Automobilverbänden Automotive Component Manufacturer Association und Society of Indian Automobile Manufactures befindet sich bis zum Jahresende 2022 in ihrer zweiten Projektphase.
Der VDA arbeitet intensiv an einer Weiterführung des Vorhabens, um die Verbändepartnerschaft mit Indien weiter vertiefen und gemeinsam mit den Partnern in Indien einen Beitrag zu Klimaschutz und technologischer Entwicklung leisten zu können.