Klimaschutz- und Industriepolitik können gemeinsam erfolgreich sein – wenn die Rahmenbedingungen stimmen
Anlässlich des EU-Sondergipfels appelliert Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), an die EU, jetzt die Grundlagen für eine dauerhafte Erholung der Wirtschaft in den EU-Mitgliedstaaten zu schaffen. Dabei müssen Klimaschutzpolitik und Industriepolitik gemeinsam gedacht werden. „Beides ist vereinbar. Effektiver Klimaschutz kann nur dann funktionieren, wenn es auch eine wirtschaftliche Basis dafür gibt. Und eine starke Industrie mit hoher Innovationskraft und Technologiekompetenz ist der beste Treiber für einen wirksamen Klimaschutz. Und nur dann wird Europa auch andere Weltregionen von dem Weg eines effektiven Klimaschutzes überzeugen können. Dafür brauchen wir aber auch eine starke Industrie – und deren Rückgrat in Europa sind die Automobilhersteller und Zulieferer“, sagte Hildegard Müller.
Die Automobilindustrie bekennt sich zum Ziel der Klimaneutralität bis 2050. Die Annahme der Politik, wonach mit einer Verschärfung von CO₂-Grenzwerten die Industrie automatisch global wettbewerbsfähiger werden würde, sei ein Fehlschluss. „Das Ziel der Klimaneutralität in 2050 ist ein noch nie da gewesener Kraftakt. Für viele Unternehmen ist es mit hohen Kosten und einem drastischen Anpassungsdruck verbunden, der leider auch nicht ohne Konsequenzen für die Zahl der Arbeitsplätze bleiben wird. Um diese Herausforderung gerade in Zeiten von Corona leisten zu können, kommt es nun darauf an, die Wettbewerbsfähigkeit und Innovationskraft der Unternehmen zu stärken. Wir brauchen eine Innovations- und Investitionsdynamik und keine Belastungsdynamik“, sagte die VDA-Präsidentin. Nur dann könne die Industrie ihren Beitrag zum Klimaschutz effizient leisten.
Damit die Industrie auf dem Weg zur Klimaneutralität erfolgreich sein könne, müsse die Politik zudem die richtigen Rahmenbedingungen schaffen. Vor allem heißt dies: Investitionen in Innovationen und Infrastruktur zum Laden und Tanken. Auch die Einbeziehung des Verkehrs in den EU-Emissionshandel kann ein wirksames Instrument sein, um die volkswirtschaftlichen Kosten des Klimaschutzes deutlich zu senken.
Die Investitionen, die für die Transformation von den Unternehmen zu leisten sind, sind beispiellos und bedürfen dringend einer ausreichenden Flankierung durch die EU sowie durch die Mitgliedstaaten und ihre Fördereinrichtungen. Dies erfordert auch eine Anpassung des Beihilferechts, sodass Investitionen in die Transformation breiter gefördert werden können als bisher. Nicht zuletzt ist auch eine Anpassung des Wettbewerbsrechts erforderlich, um zum Beispiel die Zusammenarbeit von Unternehmen bei Forschungs- und Pilotanwendungsprojekten zu erleichtern, die zum Erreichen des Klimaziels künftig in großer Dimension nötig sein werden.
„Die EU muss die Stärkung der europäischen Industrie wieder zu einem prioritären Ziel ihrer Politik machen. Dazu gehört auch, dieses Ziel zu quantifizieren und mit einem Zeithorizont zu versehen“, fordert die VDA-Präsidentin. „Andernfalls fehlen der Beteuerung der EU, die Industrie stärken zu wollen, jede Basis, Verbindlichkeit und Erfolgskontrolle.“