Europa braucht Balance zwischen Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit
Fokus sollte auf Investitionen und Innovationen liegen – Vor weiteren Diskussionen über eine Verschärfung der CO₂-Zielvorgaben Impact Assessment bisheriger Maßnahmen abwarten – Hochlauf der Elektromobilität muss europaweit erfolgen und darf sich nicht auf wenige Länder beschränken
Die deutsche Automobilindustrie unternimmt bereits enorme Anstrengungen, um die CO₂-Emissionen von Neufahrzeugen zu senken. Hersteller und Zulieferer sind engagiert auf dem Weg, ihren Beitrag dazu zu leisten, den Verkehr in Europa bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu gestalten. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) plädiert dafür, Nachhaltigkeit immer unter drei Aspekten zu betrachten: ökologisch, ökonomisch und sozial.
Das nun von der EU-Kommission verabschiedete EU-Klimagesetz definiert das Ziel, die EU bis 2050 klimaneutral zu machen. Es wird nun darauf ankommen, welche konkreten Maßnahmen die Kommission in den folgenden Gesetzgebungsvorhaben des European Green Deal vorschlägt, um die Erreichung dieses sehr anspruchsvollen Ziels zu ermöglichen. Leider schlägt die Kommission implizit bereits eine Verschärfung des EU-Klimaziels für das Jahr 2030 auf minus 50 Prozent oder minus 55 Prozent vor (bisher: minus 40 Prozent), ohne das bis zum Sommer verabredete Impact Assessment abzuwarten. Der VDA sieht dies äußerst kritisch. Denn die sehr ehrgeizigen Flottenziele für 2030 sind gerade erst verabschiedet worden und stellen die Industrie vor große Herausforderungen. Statt schon jetzt eine weitere Verschärfung der CO₂-Vorgaben ins Auge zu fassen, sollten geeignete und wirkungsvolle Instrumente und Maßnahmen vereinbart werden, um die bereits äußerst ambitionierten Ziele 2030 zu erreichen.
Europa braucht dafür vor allem massive Investitionen in den Ausbau der Lade- und Tankinfrastruktur für alternative Antriebe. Aktuell beschränken sich die Investitionen in Ladepunkte aber auf zu wenige EU-Mitgliedstaaten. Wenn wir bei der Elektromobilität auf ein „Europa der zwei Geschwindigkeiten“ zusteuern, werden die Unternehmen die EU-Flottenziele 2030 nicht erreichen können, von einem erneut verschärften Ziel ganz zu schweigen. Elektromobilität darf nicht auf bestimmte urbane Regionen in wenigen, wirtschaftlich starken EU-Mitgliedstaaten beschränkt bleiben. Dies ist auch ein wichtiger Punkt, um das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher für die Elektromobilität zu gewinnen. Gerade aus Gründen des Klimaschutzes brauchen wir den Hochlauf der Elektromobilität europaweit. Die EU-Kommission und alle Mitgliedstaaten der EU sind hier gefordert, konkrete Maßnahmen zu vereinbaren und umzusetzen. Außerdem sind schnell die erforderlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um alternative Kraftstoffe ebenfalls verfügbar zu machen.
Zu einer sinnvollen Strategie zur Erreichung der Klimaziele gehört auch die Einbeziehung des Verkehrssektors in den europäischen Emissionshandel. Der VDA würde dies ausdrücklich begrüßen. Durch die Deckelung der Emissionen kann der CO₂-Ausstoß auch für den Verkehr wirksam reduziert werden. Denn mit dem Zertifikatehandel wird der marktbasierte Ansatz gestärkt und damit zu einem Treiber von technischen Innovationen. Außerdem wird damit auch die Bestandsflotte erfasst.
Das Klimagesetz der EU bietet dann eine Chance für effektiven Klimaschutz, wenn es auf marktwirtschaftliche Instrumente setzt und die Kraft technischer Innovationen wirken lässt. Das heißt: Die EU sollte sich auf Investitionen, Innovationen und Marktwirtschaft konzentrieren. Die EU wird – auch international – nur ein Vorbild sein können, wenn Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum und Klimaschutz keine Gegensätze bilden.
Alle angedachten Maßnahmen sollten einer gründlichen Folgenabschätzung unterzogen werden – ökologisch, ökonomisch und sozial. Wir brauchen ein genaues Bild davon, wie sich das gesamte Maßnahmenpaket auf Innovationen, Wettbewerbsfähigkeit und Arbeitsplätze in Europa auswirkt. Dabei muss immer auch der Aspekt der globalen Wettbewerbsfähigkeit berücksichtigt werden. Die Klimapolitik der EU muss daher immer die Entwicklungen in anderen Regionen der Welt im Blick behalten. Es ist gut, wenn die EU eine Vorreiterrolle übernimmt, die Automobilindustrie unterstützt dies ausdrücklich. Wie im European Green Deal angesprochen, ist es aber jetzt ebenso wichtig, dass die EU aktiv darauf hinarbeitet, ein weltweites Level Playing Field zu schaffen. Nur dann kann die EU die richtigen Weichen stellen, um einen klimaneutralen Verkehr bis 2050 zu erreichen.
Der VDA und seine Mitglieder werden sich engagiert in den weiteren Diskussionsprozess einbringen.