Fit for 55: „Wir setzen auf Innovationen, Investitionen, Infrastruktur“
Chance für kohärente Klimapolitik nutzen – Technologieoffenheit ist entscheidender Faktor – Emissionshandel als zentrales Instrument – Keine direkten oder indirekten Verbote
Das „Fit for 55“-Paket bietet die Chance, die EU-Klimapolitik im Verkehr kohärent auszugestalten und auf eine langfristige Grundlage zu stellen. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) skizziert in einem aktuellen Positionspapier eine klare und realistische Strategie für einen Weg zum klimaneutralen Verkehr.
„Unser Ziel ist klimaneutrale Mobilität – in Einklang mit den Pariser Klimazielen. Das ‚Fit for 55‘-Paket muss die Grundlagen legen, um den Dreiklang aus Innovationen, Investitionen und Infrastruktur für ganz Europa beschleunigt umsetzen zu können. Entscheidend ist, dass die europäische Klimapolitik zugleich Wachstums- und Wohlstandsmotor wird und Arbeitsplätze schafft“, erklärt VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
Kurzfristig kommt es jetzt darauf an, in ganz Europa schnell die Voraussetzungen für einen Erfolg der Elektromobilität zu schaffen. „Der beschleunigte Ausbau einer flächendeckenden Ladesäuleninfrastruktur in ganz Europa ist eine wichtige Grundbedingung dafür, dass die Unternehmen neue Ziele auch erreichen können. Die EU-Kommission sollte das Paket am 14. Juli dafür nutzen, einen klaren Fahrplan mit konkreten Zielen und Plänen zur Umsetzung für die europaweite Ladesäuleninfrastruktur vorzulegen. Nur mit diesen Maßnahmen ist die Klimapolitik der EU glaubwürdig“, so Müller. Außerdem ist klimaneutraler Strom Schlüsselvoraussetzung dafür, dass Europas Autofahrerinnen und Autofahrer auf Elektromobilität vertrauen.
Technologieoffenheit bleibt darüber hinaus wichtig: „Um auch den CO₂-Ausstoß der existierenden Fahrzeuge weiter reduzieren zu können, werden neben dem Hochlauf der Elektromobilität auch Biokraftstoffe und E-Fuels gebraucht. Wir werden 2030 noch viele Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren auf den Straßen haben – weltweit rund 1,5 Milliarden und allein in Europa 421 Millionen! Die müssen möglichst klimaneutrale Kraftstoffe tanken können, so früh wie möglich“, so Müller. Nur mit beidem, Strom und Kraftstoffen aus nachhaltigen Quellen, werden wir unser gemeinsames Ziel der emissionsfreien Mobilität erreichen. Deswegen sollte die EU-Kommission ehrgeizige Vorgaben für erneuerbare Kraftstoffe in Höhe von 30 Prozent im Jahr 2030 vorschlagen.
Mittelfristig sollte der Verkehrssektor schrittweise in den EU-Emissionshandel einbezogen werden. Als zentrales Instrument bei der Erreichung der Klimaziele sollte er nach 2030 zum Leitinstrument für das Erreichen des Ziels der Klimaneutralität im Verkehr werden. Für den Minderungspfad ist ein zweistufiges Verfahren sinnvoll. Kraftstoffe werden in einem ersten Schritt in einen spezifischen Emissionshandel für den Verkehr einbezogen (Upstream–Emissionshandel). Dieser spezielle Emissionshandel kann nach einer definierten Übergangsphase in einen einheitlichen europäischen Emissionshandel überführt werden. Dieses zweistufige System gibt die Chance, das System zu justieren. „Marktwirtschaftliche Instrumente spielen derzeit eine viel zu geringe Rolle bei der Erreichung der Klimaziele. Die Ausdehnung des EU–Emissionshandels auf den Verkehrssektor ist wichtig und sollte schrittweise angegangen werden. So schaffen wir es, den Ausstoß von Treibhausgasen innerhalb der Europäischen Union volkswirtschaftlich effizient zu minimieren“, erklärt Müller.
Nicht zuletzt gilt: Ein Enddatum für bestimmte Technologien oder direkte oder indirekte Verbote lehnt der VDA entschieden ab. Alle Technologien werden gebraucht. Zudem zeigen verschiedene Studien, dass allein in Deutschland netto mindestens 100.000 direkt Beschäftigte in der Automobilindustrie bis 2030 durch die Transformation betroffen sind. Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist auch eine industriepolitische Gestaltungsaufgabe – für ganz Europa und für viele Regionen. Auf diese Herausforderung muss das „Fit for 55“-Paket konkrete Antworten geben. Ziel muss eine erfolgreiche Transformation der Wertschöpfungsketten sein.
Die EU-Kommission muss bei der Ausarbeitung des Klimapakets auch stets im Blick haben, dass Mobilität ein Grundrecht ist, essenziell für die soziale Teilhabe: „Wir haben Verantwortung für das Klima, aber auch für die Beschäftigten und ihre Familien. Nachhaltigkeit berücksichtigt die verschiedenen Belange. Die Transformation muss daher auch sozial gestaltet werden“, so Müller.