„Fit for 55“: Ambitionierte Ziele brauchen Technologieoffenheit und die richtigen Rahmenbedingungen
Faktisches Verbrennerverbot weder innovationsfreundlich noch technologieoffen – Wahlfreiheit der Verbraucher wird eingeschränkt – Keine Abschätzung der sozialen Folgen durch EU-Kommission – Neue CO₂-Vorgaben erfordern massive Investitionen – Alle Mitgliedstaaten müssen jetzt schnell flächendeckende Ladeinfrastruktur aufbauen – ETS-Einführung für den Verkehrssektor ein wichtiger Schritt
Zu den am Mittwoch verkündeten Plänen der EU-Kommission im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets erklärt Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA):
„Die Automobilindustrie unterstützt das Ziel der EU-Kommission, Europa als ersten Kontinent der Welt bis spätestens 2050 klimaneutral zu machen. Unsere Industrie geht daher bereits energisch voran und investiert bis 2025 mehr als 150 Milliarden Euro in klimaneutrale Antriebe, Elektromobilität und die Digitalisierung des Verkehrs. Deutschland ist schon heute Europameister bei E-Autos.
Das ‚Fit for 55‘-Paket, mit dem die Klimapolitik der EU umfassend neu gestaltet werden soll, verfolgt daher zwar die richtigen Ziele, schlägt dabei aber an wichtigen Stellen den falschen Weg ein. Bei den ehrgeizigen Zielen zur Minderung der CO₂-Emissionen von Fahrzeugen bleibt unberücksichtigt, dass wichtige Voraussetzungen für die erfolgreiche Transformation mit den vorgeschlagenen Instrumenten nicht geschaffen werden.
Mit dem für 2035 vorgesehenen Flottengrenzwert von 0 g schlägt die EU-Kommission faktisch ein Verbot von Verbrennungsmotoren vor – das gilt auch für Hybride und für leichte Nutzfahrzeuge. Das ist innovationsfeindlich und das Gegenteil von technologieoffen. Die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher wird unnötig eingeschränkt. Die dadurch geforderte Beschleunigung der Transformation ist vor allem für viele Zulieferer kaum zu schaffen. Die Auswirkungen für die Arbeitsplätze in diesem Bereich werden erheblich sein. Es fehlt an einer Abwägung, die alle Aspekte der ökonomischen und sozialen Auswirkungen einbezieht.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Kommission das Instrument einer verbindlichen Regulierung für den Ausbau der Ladeinfrastruktur vorschlägt. Die Ideen sind ein Schritt in die richtige Richtung und auch das Ergebnis unserer Bemühungen. Die Vorgaben müssen jetzt aber auch schnell und in allen Mitgliedstaaten umgesetzt werden – und zwar flächendeckend. Neben Aufbauverpflichtungen sind deswegen auch europaweit Förderprogramme und die Beseitigung regulatorischer Hemmnisse in vielen Mitgliedstaaten gefragt. Nicht zuletzt brauchen wir 100 Prozent Ökostrom für alle Elektrofahrzeuge. Nur so können wir das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher gewinnen. Auch die Tankinfrastruktur für Wasserstoff sollte deutlich schneller ausgebaut werden als von der Kommission vorgeschlagen.
Der Vorschlag für die Einführung des marktwirtschaftlichen Instruments des Emissionshandels für Verkehr und Gebäude ist begrüßenswert und ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einem einheitlichen EU-Emissionshandel für alle Sektoren. Allerdings geht der im Verkehr wichtigste Anwendungsbereich durch die Festlegung des Flottengrenzwerts auf 0 g im Jahr 2035 verloren.
Auch der Vorschlag für eine neue ‚Erneuerbare-Energien-Richtlinie‘ (RED) ist nicht ehrgeizig genug. Anzuerkennen ist, dass die Quote für erneuerbare Kraftstoffe deutlich erhöht wird. Allerdings springt der Vorschlag zu kurz. Nach Berechnungen des VDA sind 30 Prozent erneuerbare Kraftstoffe im Bestand für 2030 erforderlich, damit auch der Fahrzeugbestand ausreichend zur Erreichung der Klimaziele beitragen kann.“