VDA-Kommentierung zu den Erwartungen an den strategischen Dialog

    VDA-Kommentierung zu den Erwartungen an den strategischen Dialog

    VDA-Präsidentin Hildegard Müller zu von der Leyens State of the Union sowie zu den Erwartungen an den strategischen Dialog

    Kommentierung

    Kommentierung

    Berlin, 09. September 2025

    VDA-Präsidentin Hildegard Müller:

    „Dass Kommissionspräsidentin von der Leyen in ihrer State of the Union auch die Automobilindustrie adressiert hat, ist grundsätzlich richtig. Gerade haben wir auf der IAA MOBILITY in München die weltweite Automobilindustrie zu Gast und zeigen, wie Rekordinvestitionen und innovative Lösungen die deutsche Automobilindustrie in eine führende Position bei der klimaneutralen und digitalen Mobilität der Zukunft gebracht haben. Doch währenddessen wird die schwache Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Standorts zunehmend zur großen Herausforderung und Belastung für die Transformation.

    Mit Blick auf die – noch unkonkrete – ´small affordable car Initiative´ von der Leyens gehört zur Wahrheit dazu, dass bei Kleinwagen der Druck, wirtschaftlich zu produzieren natürlich hoch ist. Um aber günstigere Fahrzeuge – und dies gilt ausdrücklich für alle Fahrzeugklassen – produzieren zu können, braucht die Autoindustrie entsprechende Rahmenbedingungen. Der Produktionsstandort Deutschland und Europa aber hat im globalen Wettbewerb zunehmend gravierende Preisnachteile. Die Strompreise sind beispielsweise im Vergleich zu den USA oder China viel zu hoch. Hohe Arbeitskosten, Steuern und Abgaben belasten den Standort und die überbordende Regulierung gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit. Zudem liegt Deutschland bei der Steuer- und Bürokratiebelastung an der Spitze. Es fehlen Handels- und Rohstoffabkommen. All diese Probleme sind lange bekannt. Wer also will, dass in Europa produzierte Autos günstiger werden, kommt nicht umhin, die Standortbedingungen zu verbessern.

    Darüber hinaus gilt: Sollten diese Pläne mit Local-Content-Vorgaben verbunden werden, wäre dies der falsche Weg. Die Lieferketten der Automobilindustrie sind international aufgestellt und verwoben. Sie schaffen so in Europa, aber auch in vielen anderen Ländern, Wachstum, Wohlstand und Arbeitsplätze. Abschottung birgt zudem immer die Gefahr von Gegenreaktionen anderer Länder und könnte so – gerade für die exportstarke Autoindustrie – zum Boomerang werden und Arbeitsplätze in Europa gefährden.

    Für den erfolgreichen Hochlauf der E-Mobilität ist auch der Aufbau einer Batteriewertschöpfungskette in Europa von zentraler Bedeutung. Wir begrüßen vor diesem Hintergrund das angekündigte Paket von 1,8 Milliarden Euro für die Batterieproduktion in Europa. Ziel muss sein, Europa und Deutschland als führende Standorte für Batterieentwicklung und -produktion zu etablieren. Dabei gilt, dass die Umsetzung der Förderung zeitnah, administrativ überschaubar und flexibel erfolgen muss und an eine durchdachte industriepolitische Strategie gekoppelt sein muss.

    Darüber hinaus gilt: Die immer noch geplante CO₂-Berechnung der EU-Batterieverordnung ist weder zielführend noch strategisch sinnvoll, sie steht auch im absoluten Widerspruch zum bisherigen EU-Vorgehen. Die Ökobilanz einer Batterie soll dabei pauschal nach dem nationalen Strommix der Mitgliedsstaaten berechnet und Erneuerbare-Energien-Zertifikate abgelehnt werden. Von diesem Vorschlag muss sich die EU umgehend verabschieden. Vielmehr muss sichergestellt werden, dass Produktionsstandorte z.B. mit Direktverträgen über die Lieferung CO₂-neutraler Energie auch in Deutschland Batterien herstellen können.

    Gleichzeitig gilt, dass die Batterie nur ein Baustein ist und die EU insgesamt mit mehr Nachdruck an der Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit Europas arbeiten muss, damit unsere Industrie ihre weltweite Führungsposition behaupten und ausbauen kann – und das auch in Zukunft mit Investitionen in Deutschland und Europa. Deswegen ist es entscheidend und zeitkritisch, dass Brüssel mit Blick auf die überbordende Regulierung und die mangelnde Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts jetzt einen Kurswechsel vornimmt. Nur so können wir eine Erfolgsgeschichte für Wohlstand, Wachstum, Beschäftigung und für das Klima erreichen.

    Die zweite Runde des strategischen Dialogs würde eigentlich die Möglichkeit bieten, genau diesen Kurswechsel einzuschlagen und voranzubringen. Die Zollverhandlungen mit den USA haben zuletzt erneut schonungslos offenbart, dass wirtschaftliche Schwäche die europäische Verhandlungsposition und die Relevanz auf der globalen Bühne schwächt. Ein weiteres klares Indiz für den notwendigen Kurswechsel.

    Wichtig ist auch: Das Thema CO₂-Regulierung und die dringend notwendige Flexibilisierung und Öffnung für technologische Handlungsoptionen müssen ein Schwerpunkt sein. Wer die Realitäten analysiert – sei es mit Blick auf Energiepreise, Rohstoffversorgung, Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur und viele weitere Indikatoren – kommt zwangsläufig zu der Erkenntnis, dass ein Umdenken unausweichlich ist.

    Wir sind überzeugt: Klimaschutz gelingt nicht mit einer Ein-Technologie-Strategie. Elektromobilität wird weit überwiegend der Antrieb der Zukunft sein, aber Plug-in-Hybride, Wasserstoff sowie erneuerbare Kraftstoffe müssen als Bestandteile der Lösung auf dem Weg zur klimaneutralen Mobilität anerkannt werden. In diesem Mix liegt eine Stärke, die dabei hilft, die Klimaziele zu erreichen, ohne, dass die genauen Anteile bereits heute politisch festgelegt werden müssen.

    Deswegen muss die EU jetzt – so wie im 10-Punkte-Plan der deutschen Autoindustrie gefordert – von der auf Strafzahlungen und einseitigen Technologiefestlegungen basierenden Regulierung absehen. Wir brauchen umgehend die Review-Prozesse, um eine Bestandsanalyse über die verschiedenen systemischen Herausforderungen zu erstellen. Für den Erfolg eines langfristigen Projekts ist Flexibilität entscheidend, also die Fähigkeit und der Wille, sich einer veränderten Situation erfolgreich anzupassen.

    Das heißt zudem ganz konkret: In der Flottenregulierung ist eine Anpassung des Reduktionsziels auf -90 Prozent ab 2035 erforderlich. Die verbliebenen CO₂-Emissionen können z. B. über ambitioniertere Ziele für den Anteil erneuerbarer Kraftstoffe in der RED kompensiert werden. Unser Ziel ist es, die CO₂-Emissionen im Verkehr zu senken und zugleich den Industriestandort Deutschland und Europa in einer sich wandelnden Welt zu stärken sowie die Wettbewerbsfähigkeit der Automobilindustrie zu sichern.

    Dafür braucht es zudem umfassende und mutige Reformen. Auch die überbordende Regulierung hat den Standort Deutschland und Europa im internationalen Wettbewerb zurückgeworfen. Sie hat nicht zur Nachahmung geführt, sondern andere Länder eher vom Weg zu mehr Klimaschutz abgeschreckt. Überbordende Regulierung ist kein Wettbewerbsvorteil, sie ist das Gegenteil. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass Verbote sowie einseitige Festlegungen auf Technologien und Lösungsansätze kontraproduktiv sind.

    Günstige Energiepreise, ein wettbewerbsfähiges Steuer- und Abgabensystem, ein massiver Abbau von Bürokratie sowie Tempo und Konsequenz beim Abschluss von Handelsabkommen und ebenso von Rohstoff- und Energiepartnerschaften müssen jetzt politische Priorität sein.

    Das muss in Brüssel verstanden werden – nur so wird die wirtschaftspolitische Trendwende gelingen – und nur so werden Wachstum, Innovation, Wohlstand und Arbeitsplätze in Deutschland und Europa zuhause sein.

    Brüssel ist jetzt am Zug! Es geht um die Zukunft der europäischen Schlüsselindustrie.“

    Kommunikation, Events & Marketing

    Simon Schütz

    Abteilungsleiter