Kommentierung
VDA-Präsidentin Hildegard Müller zur End-of-Life-Verordnung
VDA-Präsidentin Hildegard Müller:
„Die im Trilog erzielte Einigung zur End-of-Life-Verordnung (ELV) ist ein wichtiger Schritt hin zu einer noch stärker kreislauforientierten Automobilwirtschaft. Die neuen Vorgaben sollen die Wiederverwendung und das Recycling von Fahrzeugen sowie die Rückgewinnung wertvoller Rohstoffe stärken.
Zugleich hat die Revision der Altfahrzeugrichtlinie einen erheblichen Umfang erreicht – verbunden mit beträchtlichem bürokratischem Aufwand für die Unternehmen. Mit dem angekündigten „Umweltomnibus“ hat die Europäische Kommission zwar signalisiert, überbordende Bürokratie und Regulierung abbauen zu wollen. Dieses Prinzip der Vereinfachung sollte auch bei der ELV konsequent gelten. Bereits während der Trilogverhandlungen wurde deutlich, wie komplex die regulatorischen Anforderungen sind. Trotz der erzielten Einigung bleiben wesentliche Punkte offen; die weiteren technischen Diskussionen bleiben abzuwarten.
Ein zentrales Element der neuen Vorgaben ist die Einführung verbindlicher Quoten für den Einsatz von recycelten Kunststoffen in Neufahrzeugen: 15 % nach sechs Jahren, 25 % nach zehn Jahren, davon mindestens 20 % in geschlossenen Kreisläufen (Closed-Loop), also direkt aus End-of-Life-Fahrzeugen.
Der VDA unterstützt grundsätzlich die Zielrichtung der Verordnung, allerdings ist es für eine abschließende Bewertung noch zu früh. Zahlreiche Fragen sind offen – etwa zur Anerkennung verschiedener Recyclingtechnologien oder zur praktischen Umsetzung belastbarer Herkunftsnachweise. Besonders kritisch sehen wir die Closed-Loop-Vorgabe: Sie stellt erhebliche Anforderungen an Wirtschaftlichkeit und Organisation der Materialströme und schränkt die notwendige Flexibilität der Unternehmen ein. Nur mit ausreichendem Gestaltungsspielraum lassen sich Umweltziele erreichen, ohne Fahrzeugsicherheit zu gefährden oder Innovationen auszubremsen. Auch einen Automatismus, alle Materialströme mit Rezyklateinsatzquoten zu belegen, lehnen wir ab. Stattdessen sollten Anreize – etwa über die Europäische Flottenregulierung – geprüft werden.
Die Automobilindustrie investiert bereits umfassend in die Kreislaufwirtschaft – von kreislaufgerechtem Design über Reparatur- und Rücknahmekonzepte bis hin zur Wiederaufbereitung von Komponenten. Eine zentrale Voraussetzung für die weitere Stärkung der automobilen Kreislaufwirtschaft ist, dass die bestehenden, individuell aufgebauten Hersteller-Netzwerke durch vertragliche Beziehungen weiterhin möglich bleiben. Nur so können die Unternehmen die hohen Qualitäts- und Sorgfaltspflichten verlässlich erfüllen.
Für den Nutzfahrzeugsektor bietet die ELV die Chance, wertvolle Erfahrungen in einer kreislauforientierten Wirtschaft zu sammeln. Eine simple Übertragung auf Aufbau- und Anhängerhersteller würde aber existenzgefährdende Risiken beinhalten. Auch mögliche Ausnahmeregelungen für kleine und mittelständische Unternehmen greifen zu kurz und adressieren die strukturelle Komplexität des Sektors nicht. Für die entsprechenden im VDA organisierten Unternehmen, die überwiegend in individuell gefertigten Einzel- und Kleinserien tätig sind, werden hinsichtlich Entsorgungsrücknahme und -kosten gezielte Unterstützungsmaßnahmen benötigt. Hier muss es eine spezifische Begleitung durch die Mitgliedstaaten geben.
Entscheidend ist nun, dass die Umsetzung der Verordnung Innovationen fördert, Wertschöpfung ermöglicht und praktikable Lösungen für alle Akteure der Wertschöpfungskette schafft."





Sprecher
Benedikt Herzog-Wolbeck
Schwerpunkt Wirtschaftspolitik & Handel