Marktentwicklungen

    Produktion der deutschen Automobilindustrie internationalisiert sich weiter

    2021 ist die Inlandsproduktion von Pkw auf den niedrigsten Stand seit 1975 gesunken. Das verschärft einen anhaltenden Trend.

    2021 ist die Inlandsproduktion von Pkw auf den niedrigsten Stand seit 1975 gesunken. Das verschärft einen anhaltenden Trend.

    Chipmangel setzt Inlandsproduktion zu

    Nach dem Einbruch der Inlandsproduktion mit dem Produktionsstillstand im April 2020 in den meisten inländischen Werken hatte sich die Fertigung im letzten Quartal 2020 wieder auf ein Niveau von vor der Pandemie eingepegelt. 

    Ab dem Jahresanfang 2021 war jedoch ein neuer Rückschlag zu verzeichnen: die weltweite Halbleiterknappheit sorgte für rückläufige Produktionszahlen. Hintergrund war die rapide zunehmende Nachfrage nach Chips aufgrund von Home Office, Home Schooling und generell florierender Tele- und Unterhaltungskommunikation. Da der Ausbau der Fertigungskapazitäten im Halbleiterbereich aufgrund der Komplexität der vielschichtigen Prozesse nur recht langsam von statten geht, wurde die Automobilindustrie hiervon letztes Jahr massiv beeinträchtigt. Mit der steigenden Nachfrage, die sich in Auftragsbeständen in Rekordhöhe niederschlug, konnte die Produktion nicht mithalten. 

    Hiervon war der deutsche Standort besonders stark betroffen. Das lag an der starken Ausrichtung hin zu Premiumprodukten, die genauso wie die Fahrzeuge mit Elektroantrieb überdurchschnittlich viele Chips benötigen - beispielsweise für Assistenzsysteme, Bildschirme, Steuerungen. Im Gesamtjahr musste die Inlandsfertigung mit 3,1 Mio. Pkw daher einen Rückgang von 12 Prozent hinnehmen und lag so niedrig wie seit nach der Ölkrise 1975 nicht mehr. Damit hat die Produktion allein seit 2018 über 2 Mio. Einheiten verloren. Gegen Ende des Jahres stabilisierte sich das Produktionsvolumen wieder etwas, ein Aufholprozess konnte aufgrund der Chipknappheit jedoch noch nicht einsetzen.

    Ein wichtiges Instrument, um die Arbeitsplätze zu erhalten, war auch 2021 die Kurzarbeit, die in der Automobilbranche von Juni bis November aufgrund der Mangelsituation bei den Halbleitern wieder eine sechsstellige Anzahl von Personen betraf, im Dezember jedoch deutlich zurückging.

    Langfristige, strukturelle Entwicklungen

    Hinter dem erneuten Rückgang der Produktion stecken auch strukturelle Faktoren. Im Einzelnen:

    Der Aufschwung der Elektromobilität, die letztes Jahr mit einem Anteil von 20 Prozent an der Inlandsproduktion und einem Zuwachs von 64 Prozent endgültig ihren Durchbruch erlebt hat, geht einher mit einer Abkehr von den Verbrennungsmotoren. Sowohl Benzin- (-4 Prozent) als auch Dieselmotor (-19 Prozent), verzeichnen 2021 Rückgänge. Das trifft die deutschen Hersteller besonders deutlich, da sie vor allem bei den Dieselfahrzeugen eine äußerst starke Position innehaben. Der Erfolg im Bereich Elektromobilität kann die volumenmäßig etwas höheren Rückgänge bei den Verbrennern jedoch noch nicht ganz wettmachen.

    Zusätzlich gibt es seit vielen Jahren einen starken Trend hin zu effizienten Kompakt-SUV. Die Produktion neuer Modelle in diesem Bereich wurde von den deutschen OEM zuletzt jedoch vor allem im europäischen Ausland angesiedelt.

    Schon seit vielen Jahren sinkt die Produktion von Klein- und Kompaktwagen in Deutschland. Hierfür sind vor allem die sehr hohen Arbeitskosten, die zu einem großen Teil von den erheblichen Lohnzusatzkosten herrühren, verantwortlich. 

    Im globalen Länderranking nach Stückzahlen rutscht Deutschland vom vierten auf den sechsten Platz hinter China, den USA, Japan, Indien und Südkorea. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Premiumanteil an den deutschen Standorten sehr hoch ist. In Europa bleibt Deutschland mit deutlichem Abstand das wichtigste Produktionsland.

    Auslandsproduktion stabilisiert sich

    Auch 2021 erwies sich als ein herausforderndes Jahr für die Auslandsstandorte der deutschen Pkw-Hersteller. Der Rückgang um 6 Prozent auf 12,54 Mio. war deutlich verhaltener als im Vorjahr, das unter dem Ausbruch der Corona-Pandemie mit nahezu globalen Produktionsstopps im Frühjahr 2020 gelitten hatte.

    Letztes Jahr war das alles überschattende Thema der Mangel an Halbleitern, zu dem außerdem noch Belastungen des Welthandels aufgrund von Lockdowns in Asien und einem den Suezkanal blockierenden Tanker hinzukamen. Insbesondere in der zweiten Jahreshälfte konnten die hohen Produktionszahlen von 2020 - als es im letzten Quartal einen Aufholprozess gegeben hatte - nicht wiederholt werden. Weltweit trug nahezu jeder fünfte Neuwagen das Firmenlogo einer deutschen Konzernmarke.

    Heterogene Entwicklung in den Ländern

    Am stärksten betroffen war der mit 45 Prozent Anteil an der Auslandsproduktion größte Standort China, wo die Pkw-Auslandsfertigung der deutschen OEM 2021 um 11 Prozent auf 4,36 Millionen Einheiten zurückging. Hier hatte sich schon Ende 2020 eine Knappheit an Halbleitern angedeutet, die sich dann fast durch das ganze Jahr zog. Ebenfalls belastend war, dass die deutschen Hersteller im dynamischen Segment der E-Autos ihren moderaten Marktanteil nicht halten konnten. In Indien gab es letztes Jahr mit einem Zuwachs von 55 Prozent einen Rebound auf 90 Tausend produzierte Pkw, dies reichte jedoch nicht aus, um das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen.

    In Europa bröckelte die Auslandsproduktion 2021 um 2 Prozent auf 3,03 Mio. Pkw ab, das entsprach einem Rückgang von nahezu 950.000 Fahrzeugen gegenüber dem Rekord von 2019. Die Nachfrage hätte eine deutlich höhere Fertigung ermöglicht, doch ließ das eingeschränkte Angebot an Halbleitern kein höheres Produktionsvolumen zu. Bei den Ländern konnte die Tschechische Republik mit 680.000 Einheiten (-9 Prozent) den Spitzenplatz knapp vor Spanien (+3 Prozent auf 678.000 Pkw) verteidigen. Um Rang drei gab es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das Ungarn mit 309.000 Stück (-4 Prozent) knapp vor dem SUV-Hub Slowakei mit 308.000 Fahrzeugen für sich entschied.

    Die Auslandsfertigung in Amerika konnte letztes Jahr um 12 Prozent auf 1,81 Mio. Fahrzeuge ausgeweitet werden. In den USA liefen mit dem Rekordwert von 0,87 Mio. Pkw sogar 18 Prozent mehr Fahrzeuge von den Produktionsbändern als im Vorjahr. Hier handelt es sich überwiegend um SUV. Unterstützend wirkte neben dem um 5 Prozent expandierenden US-Light Truck Markt die global ansteigende Nachfrage nach hochwertigen SUV.

    Transformation und Premiumstrategie

    Die Transformation vom Verbrenner- zum Elektroantrieb bildet sich auch im Auslandsengagement der deutschen Hersteller ab. Letztes Jahr wurden mit 761.000 E-Pkw (+74 Prozent) bereits deutlich mehr E-Autos außerhalb Deutschlands als im Inland gefertigt. Die Dynamik kommt derzeit vor allem mit einem Zuwachs von 126 Prozent auf 374.000 Einheiten von den BEV, während die PHEV-Produktion um 42 Prozent auf 387.000 Stück anstieg.

    Die Fertigung außerhalb Deutschlands hat sich seit 2006 verdoppelt, 2010 hat sie die Inlandsproduktion überholt. Die Coronakrise hat dazu geführt, dass inzwischen drei Viertel aller Pkw deutscher OEM im Ausland hergestellt werden. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war die Ausrichtung auf Premiummodelle. Der Premiumanteil hat sich seit 2006 von 20 Prozent auf 47 Prozent deutlich erhöht. Die globale Aufstellung der deutschen OEM manifestiert sich auch darin, dass sie inzwischen mit 4,5 Millionen Fahrzeugen doppelt so viele Premium-Pkw im Ausland als am heimischen Standort fertigen. 

    Arbeitskosten in der deutschen Automobilindustrie sind weltweit die höchsten

    Die hohe Qualität und zunehmende Komplexität moderner in Deutschland hergestellter Pkw durch ausgefeilte Assistenzsysteme und die zunehmende Digitalisierung hat ihren Preis. Hinzu kommt der Strukturwandel hin zur Elektromobilität, der in vollem Gange ist. Um für die hart umkämpften Fachkräfte interessant zu bleiben, müssen die Automobilunternehmen in Deutschland eine attraktive Entlohnung bieten.

    Auch 2021 weist Deutschland daher mit 57 Euro pro Stunde im internationalen Vergleich die höchsten Arbeitskosten in der internationalen Automobilindustrie auf. Mit einem Anstieg von 1 Prozent im letzten Jahr hat sich der Abstand zu Schweden, dessen Arbeitskosten um 7 Prozent auf 47 Euro zunahmen, wieder etwas verringert. Dennoch sind die Arbeitskostenzuwächse in den letzten zehn Jahren mit 25 Prozent in Deutschland überdurchschnittlich hoch gewesen. Damit besteht die Gefahr, dass Deutsch-land, die durch die Lohnzurückhaltung im Zuge der Agenda 2010 zurückgewonnene Wettbewerbsfähig-keit wieder verspielt. Der Druck auf die Inlandsproduktion, die 2021 nahezu auf das Niveau der Fertigung der deutschen OEMs im europäischen Ausland gefallen ist, nachdem sie 2017 noch über 2 Mio. Pkw höher gelegen hatte, bleibt weiter bestehen. 

    Auf Platz 3 des Rankings folgt Österreich mit 44 Euro (+1 Prozent) vor Belgien mit 43 Euro (+1 Prozent). Belgien ist der einzige EU-Mitgliedsstaat, in dem die Arbeitskosten seit 2011 mit -2 Prozent gesunken sind. An fünfter Stelle rangiert Frankreich mit 42 Euro (+1 Prozent). Danach folgen die Niederlande mit 41 Euro (+4 Prozent). 

    In Großbritannien sind die Arbeitskosten 2021 um 5 Prozent auf 36 Euro angestiegen. Die Arbeitskosten liegen allerdings immer noch unterhalb des Wertes von 2015. Das Brexit-Referendum hatte 2016/2017 zu einer deutlichen Pfundabwertung geführt. In Italien fallen die Arbeitskosten 2021 um 3 Prozent auf 31 Euro. Das kann man als eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit werten, es hatte jedoch seit 2015 nur Anstiege gegeben. Nachdem sie 2020 noch um 4 Prozent angestiegen sind, verzeichnen die Arbeitskosten in Spanien 2021 einen kleinen Rückgang um 1 Prozent auf 27 Euro. 

    Osteuropäische Länder gleichen sich allmählich an

    Am unteren Ende der Personalkostentabelle rangieren osteuropäische Länder mit Arbeitskosten zwischen 9 Euro (Rumänien) und 19 Euro (Slowenien). Diese aufstrebenden Automobilnationen haben seit 2011 hohe Zuwächse zwischen 43 Prozent (Slowenien) und 93 Prozent (Rumänien) vorzuweisen gehabt, so dass sich das Arbeitskostenniveau sukzessive an die anderen EU-Länder angleicht. In Portugal sind die Arbeitskosten 2021 um 4 Prozent auf 16 Euro gestiegen und liegen nun zwischen der Slowakei (16 Euro) und der Tschechischen Republik (18 Euro).

    Alexander Fritz
    Economic Intelligence & Volkswirtschaft

    Alexander Fritz

    Automobilprognosen, Statistiken Produktion und Export, CO2-Emissionen, Elektromobilität, Strukturanalysen

    alexander.fritz@vda.de
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