VDA-Mittelstandstag 2025

    „Eine bessere Planbarkeit und Fristigkeit der Transformation wirken stabilisierend auf neue Finanzierungsvorhaben“

    Interview mit Michael Frick, Mitglied des Vorstands ZF Group, über die Frage, wie die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie die Prozesse der Transformation finanzieren können und welche die originären Stärken der Zulieferer in Deutschland sind.

    Interview mit Michael Frick, Mitglied des Vorstands ZF Group, über die Frage, wie die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie die Prozesse der Transformation finanzieren können und welche die originären Stärken der Zulieferer in Deutschland sind.

    Herr Frick, in Ihrer Session haben Sie gemeinsam mit Dr. Tobias Braun (Benteler Group), Markus Cichy (VW Group), Stefan Kraus (IKB Deutsche Industriebank AG), Kolja Kress (Woco Group) und Jens von Loos (Deloitte Corporate Finance GmbH) über die Herausforderungen der Transformationsfinanzierung gesprochen. Skizzieren Sie bitte das Spannungsfeld, in dem sich die Branche gerade bewegt.

    Frick: Die Automobilindustrie steht nach wie vor inmitten der Transformation hin zur Elektromobilität, was auch die weiteren Trends des Software-basierten Fahrzeugs und die geteilte Mobilität betrifft. Im Fokus der Diskussion standen die Zuliefererseite des Mittelstands und neue Impulse für ihre Finanzierung dieser großen Aufgabe. Die Zulieferer bewegen sich im Spannungsfeld der globalen wirtschaftlichen Entwicklungen sowie den nationalen und internationalen Rahmenbedingungen. Insbesondere europäische Regulierungen, wie namhafte ESG-Anforderungen (Anm. d. Red.: „ESG“ steht für „Environmental, Social and Governance“), fordern die Automobilindustrie heraus, diese in einem realistischen Zeitrahmen umzusetzen.

    Parallel müssen die Zulieferer auf ihre Kundenpräferenzen eingehen, innovative Technologien entwickeln und sich einem intensiven Wettbewerb stellen.  Zusätzlich wird das Marktumfeld durch geopolitische Spannungen und Konflikte sowie Protektionismus und Handelsbarrieren verschärft. Die Situation der Zulieferer ist also von großen Belastungen gekennzeichnet.

    In welchem Bereich sehen Sie die größten Handlungsnotwendigkeiten für Zulieferer und Politik in puncto Finanzierung?

    Frick: Der strukturelle Umfang der Transformation erfordert es, dass alle beteiligten Seiten zur Bewältigung der Herausforderungen beitragen müssen. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, die den Übergang zur Elektromobilität fördern und den Transformationsprozess zuverlässig begleiten. Eine Aufgabe besteht darin, die Planbarkeit und Fristigkeit  der Transformation für die Branche zu erhöhen, was sich stabilisierend auf neue Finanzierungsvorhaben auswirkt. Nicht nur Förderprogramme von elektrifizierten Fahrzeugen und Investitionsanreize wirken unterstützend, sondern auch konkrete Maßnahmen, wie die Reduzierung bürokratischer Hürden zur Erleichterung der Kreditvergabe zwischen Zulieferern und Finanzierern.

    Die Zulieferer selbst müssen ebenfalls handeln. Sie müssen erhebliche Investitionen in Forschung und Entwicklung tätigen, um innovative Technologien zu entwickeln und wettbewerbsfähig zu bleiben. Der Kostenfokus steht besonders im Vordergrund, da die aktuelle Dualität aus Elektromobilität und konventionellem Verbrennergeschäft zusammen mit den Regulierungen und dem damit verbundenem Berichtswesen die Erschließung neuer Finanzierungsquellen stark beeinflusst. Eine kontinuierliche Kommunikation über die individuellen Transformationsstrategien mit Hauptbanken, die das Unternehmen bei den operativen und strategischen Umsetzungen unterstützen,  sowie mit einer breiten Gruppe von Investoren kann das Vertrauen in benötigte Finanzierungsvorhaben stärken.

    Wie sollten sich Zulieferer aufstellen, um attraktive Finanzierungspartner zu finden?

    Frick: Da jedes Unternehmen sein Alleinstellungsmerkmal am Markt behauptet, sollte es seine Fähigkeit zur Entwicklung neuer Technologien und Produkte hervorheben. Das zeigt, dass es sich an Marktveränderungen anpassen kann. Es muss also auch der Einzelfall betrachtet werden. Außerdem ist eine klare und transparente Finanzberichterstattung wichtig, damit sich Investoren ein Bild über die finanzielle Basis des Unternehmens machen können. Dazu gehören eine regelmäßige Kommunikation mit den Banken und Investoren und die  Pflege eines aktiven gegenseitigen Austauschs, um das Vertrauen in das Geschäftsverhältnis zu stärken. Indem die Zulieferer ihren Partnern die Entwicklung ihres Geschäfts erläutern, demonstrieren sie den Banken und Investoren ihre Zukunftsfähigkeit und überzeugen sie davon, sich daran zu beteiligen.

    Wie wichtig ist die Unterstützung der Kunden, also der OEM oder großer Tier-1 Zulieferer, bei Investitionsvorhaben?

    Frick: In herausfordernden Zeiten muss bei der Erschließung von Finanzierungsquellen breit gedacht werden. Enge Partnerschaften mit OEMs oder Tier-1 (Anm. d. Red. zu „Tier 1“ und „OEM“: Ein „Tier 1“-Lieferant ist ein direkter Zulieferer eines Originalherstellers („OEM“), der sich durch die Lieferung kompletter Systeme oder Module auszeichnet.) stärken das Vertrauen von Investoren und signalisieren Stabilität. Hier sind beide Seiten gefragt, Möglichkeiten offen zu diskutieren: Einerseits bieten langfristige Lieferverträge finanzielle Sicherheit und können als Grundlage für eine weitere Finanzierung dienen. Andererseits ist die Vorfinanzierung von Aufwänden in Forschung und Entwicklung sowie Investitionen durch die OEMs essenziell, um der Gleichzeitigkeit in der Technologieentwicklung im Zuge der Transformation Rechnung zu tragen.

    Was sind aus Ihrer Sicht die originären Stärken der Zulieferer in Deutschland und welche Standortfaktoren unterstützen diese und müssen in der Transformation weiterentwickelt werden?

    Frick: Die originären Stärken der deutschen Automobilzulieferer liegen in ihrer Innovationskraft und der hohen Qualität ihrer Produkte. Die Unternehmen profitieren von einer starken Forschungs- und Entwicklungslandschaft sowie hochqualifizierten Fachkräften. Um die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern, müssen dringend mehrere Standortfaktoren verbessert werden. Um nur eine Auswahl zu nennen: Dazu gehören die Reduzierung der hohen Energiekosten, die derzeit über dem EU-Durchschnitt liegen. Dadurch werden  neue Technologien in Deutschland verteuert – und das auch vor dem Hintergrund, dass sich die Branche neben der Elektrifizierung den Fokus von hochwertiger Mechanik hin zum Software-basierten Fahrzeug weiterentwickeln muss.

    Außerdem ist dringend eine Vereinfachung der bürokratischen Prozesse notwendig, um es den Unternehmen zu erlauben, sich auf ihre Geschäftsprozesse zu fokussieren und Innovationen in Zeiten des zunehmenden Wettbewerbs zu beschleunigen. Investitionen in die digitale Infrastruktur und die Ausbildung von Fachkräften im Bereich Elektromobilität und Softwareentwicklung wirken ebenfalls unterstützend. Und zur Wahrheit gehört auch: Die Arbeitskosten in Deutschland sind im Vergleich zu anderen Ländern mit starker Automobilindustrie hoch – das dürfen wir nicht aus den Augen verlieren.

    Bildnachweis: Benjamin Westhoff

    Ansprechpartner

    André Kunkel

    Referent Mittelstandspolitik und Wertschöpfungsketten