Studie

    Wie finanzieren Automobilzulieferer die Transformation?

    Die immer strengeren Kreditvergabe-Kriterien und gestiegene Zinsen bedrohen Automobilzulieferer existenziell – das zeigt eine gemeinsame Studie der Strategieberatung Oliver Wyman und des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

    Die immer strengeren Kreditvergabe-Kriterien und gestiegene Zinsen bedrohen Automobilzulieferer existenziell – das zeigt eine gemeinsame Studie der Strategieberatung Oliver Wyman und des Verbands der Automobilindustrie (VDA).

    Stand: 11. März 2024

    Die Automobilindustrie befindet sich in der größten Transformation ihrer Geschichte. Die Umstellung von Verbrennungsmotoren auf alternative Antriebe, Digitalisierung und nachhaltige Produktion müssen zeitgleich erfolgreich gemeistert werden. Der Investitionsbedarf ist enorm, doch gestiegene Zinsen und strengere Vorgaben der Banken bei der Kreditvergabe erhöhen die Finanzierungskosten. Eine deutliche Mehrheit der befragten Automobilzulieferer ist davon bereits betroffen, wie die Studie mit dem Titel „Die nächste Hürde: Wie finanzieren Automobilzulieferer die Transformation?“ der Strategieberatung Oliver Wyman und des Verbands der Automobilindustrie (VDA) zeigt. Zwei Drittel der befragten Zulieferer (66 Prozent) berichten von erschwerten oder deutlich erschwerten Zugängen zu Bankfinanzierungen in den vergangenen drei Jahren. „Der Anstieg der Finanzierungskosten trifft die Automobilzulieferer zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt“, sagt Dr. Maximilian Majic, Partner und Teil der Practice Restrukturierung der Strategieberatung Oliver Wyman. „Besonders die Transformation zur Elektromobilität erhöht den Kapitalbedarf massiv.“

    Zentraler Faktor für eine erfolgreiche Transformation

    „Die Zulieferindustrie und insbesondere die zahlreichen mittelständischen Unternehmen sind ein zentraler Faktor für eine erfolgreiche Transformation. In der Automobilzuliefererindustrie in Deutschland sind etwa 270.000 Menschen beschäftigt. Zudem wird eine Vielzahl der Innovationen und technologischen Fortschritte in der Automobilindustrie durch mittelständische Zulieferindustrie getrieben. Ein Rückgang der Produktion der Automobilzulieferer oder eine übermäßige Verlagerung ins Ausland hätte signifikante Auswirkungen auf den Standort Deutschland“, erläutert VDA-Geschäftsführer Andreas Rade.

    Laut Umfrage wächst der Pessimismus: Acht von zehn befragten Automobilzulieferern berichten, dass sich die Stimmung in ihrem Unternehmen im Laufe des vergangenen Jahres verschlechtert hat. Die aktuelle Stimmungslage bewerten neun von zehn Befragten als negativ oder äußerst negativ. „Die Lage in der Automobilzuliefererindustrie ist höchst angespannt“, sagt Rade. Die Mehrheit der befragten Unternehmen berichtet von einer rückläufigen (43 Prozent) oder stagnierenden (21 Prozent) Profitabilität. Befragt wurden 74 hiesige Automobilzulieferer.

    In der Automobilzuliefererindustrie in Deutschland sind etwa 270.000 Menschen beschäftigt. Zudem wird eine Vielzahl der Innovationen und technologischen Fortschritte in der Automobilindustrie durch mittelständische Zulieferindustrie getrieben.
    Andreas RadeVDA-Geschäftsführer

    Differenzierung bei Kreditvergabe entscheidend

    „Die steigenden Kreditkosten verschärfen die wachsenden finanziellen Engpässe“, erläutert Oliver Wyman-Experte Majic. „Es droht eine Zunahme der Insolvenzen im ohnehin krisengeschüttelten Automotive-Sektor.“ Besonders betroffen von der Verschlechterung der Finanzierungskonditionen sind laut Studie kleinere Zulieferer sowie Unternehmen, die sich im Besitz von Finanzinvestoren befinden und deshalb einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen. Neben höheren Zinssätzen (88 Prozent) macht den Unternehmen besonders zu schaffen, dass die Banken umfangreichere Sicherheiten fordern (49 Prozent), bei den Vertragsbedingungen (Covenants) strengere Maßstäbe anlegen (45 Prozent) und die Laufzeiten der Kredite verkürzen (36 Prozent).

    Das Verhältnis zwischen Banken und Automobilzulieferern hat sich laut der Umfrage verschlechtert. „Einige Unternehmen bemängeln fehlendes Vertrauen der Finanzierer oder berichten gar von einem Rückzug ihrer Hausbank“, sagt Majic. Eine Ursache dafür sieht der Oliver Wyman-Experte auch darin, dass nicht alle Kreditinstitute ausreichendes Verständnis für den Automotive-Sektor hätten. „Es wird zu viel über einen Kamm geschoren“, sagt Majic. „Doch es gibt nicht den einen Zulieferer – eine Differenzierung ist wichtig.“ Hier gelte es, für die Kreditinstitute, entsprechendes Know-how aufzubauen. Eine weitere Verschärfung der Kreditvergabe wird aufgrund der verstärkten Anwendung von ESG-Kriterien (Environmental, Social, Governance) erwartet. Laut Studie erwarten 72 Prozent der Automobilzulieferer, dass Nachhaltigkeits-Aspekte binnen zwei Jahren den Zugang zu Finanzierungen stark beeinflussen werden.

    Politik muss Transformation besser unterstützen

    Aus Sicht der Zulieferer sind die eigene strategische Ausrichtung (76 Prozent) sowie die Einhaltung von Finanzkennzahlen (72 Prozent) die wichtigsten Kriterien, um eine Bankfinanzierung zu erhalten. Hier sieht Majic noch Potenzial. „Ich gehe davon aus, dass die Zulieferer ihr Portfolio konsequent optimieren und sich von unprofitablen Produkten verabschieden müssen“, sagt er. „Eine zukunftsfähige und langfristige Strategie, die auch in zehn Jahren im Kern noch Bestand hat, ist das Fundament für eine erfolgreiche Finanzierung.“ Zugleich rät Majic, so weit wie möglich neue Optionen am Kapitalmarkt auszuloten. „Es bestehen Alternativen außerhalb der traditionellen deutschen Bankenlandschaft“, sagt er. Neben ausländischen Kreditgebern böten auch Unternehmensanleihen oder Darlehensfonds (Debt Funds) Potenzial. „Zulieferer mit einer überzeugend kommunizierten, zukunftsfähigen Transformationsstrategie erhalten leichter Kredite und schaffen es auch, neue Finanzierungsformen zu erschließen”, so Majic.

    Entscheidende Bedeutung für die Zukunft der hiesigen Automobilzulieferer haben nach Ansicht von Rade die Bundesregierung und die EU-Kommission. „In Deutschland wie auch in Europa müssen wir gezielt an der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten. Hohe Energiepreise, ein Übermaß an Regulierung, der Fach- und Arbeitskräftemangel sowie zunehmende Bürokratie sind nur einige der Belastungsfaktoren für die mittelständischen Unternehmen. Berlin und Brüssel müssen dringend investitionsfreundlichere Rahmenbedingungen schaffen, um insbesondere die mittelständische Zuliefererindustrie in der Transformation zu unterstützen“, so der VDA-Geschäftsführer.

    Economic Intelligence & Volkswirtschaft

    Dr. Manuel Kallweit

    Leiter der Abteilung

    Fachgebiet Mittelstandspolitik und Wertschöpfungsketten

    Lea Bergmann

    Referentin

    Mittelstandspolitik und Wertschöpfungsketten

    Sebastian Brunkow

    Fachgebietsleiter

    Fachgebiet Mittelstandspolitik und Wertschöpfungsketten

    André Kunkel

    Referent

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