ADAXO-Konzept

    Eine Schnittstelle für unzählige Informationen

    Fahrzeugdaten sind eine Quelle für Innovationen und ein Grundpfeiler für moderne Mobilität. Darüber hinaus erhöhen sie maßgeblich die Verkehrssicherheit. VDA-Experte Dr. Joachim Göthel erklärt im Interview, wie die wertvollen Informationen sicher und fair verfügbar gemacht werden können.

    Fahrzeugdaten sind eine Quelle für Innovationen und ein Grundpfeiler für moderne Mobilität. Darüber hinaus erhöhen sie maßgeblich die Verkehrssicherheit. VDA-Experte Dr. Joachim Göthel erklärt im Interview, wie die wertvollen Informationen sicher und fair verfügbar gemacht werden können.

    Kilometerstand, Reichweite, Batteriezustand: Moderne Autos erzeugen täglich große Datenmengen. Damit erhalten nicht nur Autohersteller, sondern auch die Zuliefererindustrie und andere interessierte Unternehmen wertvolle Erkenntnisse über die Fahrzeuge und können neue Produkte nicht nur schneller, sondern auch kundenorientierter entwickeln. 

    Von entscheidender Bedeutung ist, wie die generierten Daten zugänglich gemacht werden. Genau um dieses Thema hat sich der VDA umfassende Gedanken gemacht – und legt mit dem ADAXO-Konzept ein zeitgemäßes und zukunftssicheres Verfahren für den Austausch von fahrzeuggenerierten Daten zwischen allen Beteiligten vor. ADAXO ist die Abkürzung für „automotive data access, extended and open“ und bedeutet so viel wie „erweiterter und offener Fahrzeugdatenzugriff“. 

    VDA-Experte Dr. Joachim Göthel ist Senior Consultant in der Koordinierungsstelle „Security und Daten“ und Leiter des Arbeitskreises Daten. Im Interview erklärt er die Idee hinter ADAXO, was das Verfahren besonders sicher macht und warum Daten sogar Leben retten können. 

    Welche Rolle spielen fahrzeuggenerierte Daten für die Zukunft der Automobilbranche?

    Die Automobilindustrie investiert hohe Eurobeträge in datengetriebene Geschäftsmodelle und vernetzte Fahrzeuge. Wir glauben an die großen Chancen, die sich durch die Nutzung und den Austausch von Daten ergeben. Denken Sie beispielsweise an autonomes Fahren, Car-Sharing oder intelligente Verkehrsführung. All diese Innovationen beruhen auf von Fahrzeugen produzierten Daten. Umso wichtiger ist es, eine einheitliche Regelung dafür zu finden, wie der Markt auf diese Informationen zugreift.

    Genau diese Zugriffs-Regelung nimmt der VDA in seinem ADAXO-Konzept auf. Was verbirgt sich dahinter?

    Im VDA haben wir uns darauf verständigt, dass die im Fahrzeug generierten Daten über eine einzige internetfähige Schnittstelle bereitgestellt werden sollten. Kommen mehrere Schnittstellen in einem Fahrzeug vor, erhöhen sich nämlich Sicherheitsrisiken und Zugriffsschwierigkeiten. Empfehlungen, wie diese Schnittstelle aussehen sollte, geben wir in unserem ADAXO-Konzept. 

    ADAXO ist also keine Plattform, von der man Daten ziehen kann. Es geht vielmehr um die technischen Möglichkeiten und Grundprinzipien, mit der Dritte auf die Daten zugreifen können. Unser Ziel ist es, relevante Fahrzeugdaten für mehrere Marktteilnehmer zu fairen Konditionen zur Verfügung zu stellen.

    Welche Daten sind für die Industrie von Bedeutung und wozu werden Sie benötigt?

    Moderne Fahrzeuge erzeugen stündlich etwa 25 Gigabyte Datenmaterial – entsprechend groß ist die Fülle der Informationen. Dazu gehören einfache Angaben wie Kilometerstand, Geschwindigkeit, Standort und Drehzahl. Fahrzeughersteller (OEMs) und Zulieferer werten den Ladezustand von Batterien oder die verfügbare Reichweite von E-Autos sowie das Fahr- und Bremsverhalten aus. Mit diesen Informationen können sie die Technik und die Fahrzeuge gezielt weiterentwickeln, aber auch interessierte Unternehmen können damit ganz neue datengetriebene Dienstleistungen anbieten. 

    Heute sind bereits Millionen von Fahrzeugen in Europa auf diese Weise mit Servern von großen Fahrzeugherstellern verbunden. Die wesentliche Stärke des Konzepts ist die Offenheit hinsichtlich der Art und Menge der übertragbaren Daten, was eine große Vielfalt innovativer Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Daten können auch Versicherungen, Finanzierungsunternehmen sowie öffentliche Institutionen wie Bundes- und Landesbehörden oder der EU bereitgestellt werden. Ich denke, dass das Verfahren zukünftig für Geschäftsmodelle und Anwendungen interessant sein wird, an die wir heute noch gar nicht kennen.

    Und wie profitiert der Endkunde?

    Für die Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughalter ist es nützlich, wenn Parameter aus den Bereichen Service und Wartung erfasst werden – per App oder auf der Anzeige im Armaturenbrett können sie den Zustand ihres Autos kontrollieren. Treten Auffälligkeiten oder Probleme auf, wie ein nachlassender Reifendruck, erscheint eine Warnmeldung. 

    Die Müdigkeitserkennung analysiert in Fahrzeugen mit dem heutigen Stand der Technik die Mimik und die Augenbewegungen der Person und schlägt Alarm, wenn sie nicht mehr fit ist. Darüber hinaus könnte ein Fahrzeug zukünftig messen, wie es der Person hinter dem Lenkrad geht: Kreislaufbeschwerden oder Herzversagen sind dann frühzeitig über spezielle Sensoren am Lenkrad feststellbar. Solche Gesundheits-Screenings während der Autofahrt können demnächst maßgeblich zur Verkehrssicherheit beitragen.

    Gerade Daten wie gesundheitliche Informationen sind äußerst sensibel. Was tut ADAXO für den Datenschutz und die Cybersecurity?

    Datenschutz steht für uns an erster Stelle. Zunächst einmal wird die Einwilligung zur Weitergabe sensibler Daten von den Fahrzeughalterinnen und Fahrzeughaltern abgefragt. Außerdem ist die Schnittstelle ISO-standardisiert. Das bedeutet, dass der Datenzugriff durch entsprechende Business-to-Business-Vereinbarungen oder andere Vereinbarungen geregelt ist und gleichzeitig die Datenschutz-Grundverordnung der Europäischen Union eingehalten wird. 

    Diese Vorgaben erhöhen außerdem die Cybersicherheit sowohl für die Anbieter als auch für die Abnehmer der Daten. Zusätzlich ist eine einzige Schnittstelle weniger komplex. Wir möchten die Fahrzeugnutzerinnen und Fahrzeugnutzer sowie Mitfahrenden vor zusätzlichen und unsicheren Erweiterungen, die nachträglich im Fahrzeug implementiert werden und bei denen die Verantwortung nicht klar geregelt ist, schützen. Weitere Vorteile haben wir in dem Positionspapier zu ADAXO ausführlich beschrieben.  

    Wie funktioniert die technische Weiterleitung der Daten bei ADAXO?

    ADAXO beruht auf dem Konzept „Extended Vehicle“, das wir im Jahr 2016 vorgestellt haben. Damals wie auch heute geht es um die sichere Übertragung von fahrzeuggenerierten Daten auf Server von OEMs. Die Idee dahinter ist die Bereitstellung sowie elektronische Weitergabe und Nutzung der Daten über eine einzige Webschnittstelle, auch „ExVe-Web-Schnittstelle“ genannt. In allen modernen Fahrzeugen ist so eine Schnittstelle verfügbar. In der Anwendung werden die Daten mittels ExVe auf ein neutrales Web-Interface von Dritten, also in einen virtuellen Datenraum, weitergeleitet. 

    Wir im VDA sehen deshalb für uns gar keine Notwendigkeit, die Daten selbst an einer separaten Stelle zu speichern und Dritten über Zwischenschritte anzubieten, denn das bedeutet einen extremen und kostspieligen Aufwand. Wir konzentrieren uns auf die direkte Weiterleitung der Daten.

    Warum wurde eine Weiterentwicklung des NEVADA-Konzepts nötig?

    Für uns ist es immer wichtig, auf die Entwicklungen der Märkte zu reagieren. Der zentrale Ansatz bei NEVADA war, Daten über sogenannte neutrale Server verschiedenen Parteien zur Verfügung zu stellen. Im Laufe der Zeit sind auf europäischer Ebene neuartige Initiativen wie die sogenannten Datenräume entstanden – auf all diese Entwicklungen mussten wir eingehen, auch, um ein Konzept zu haben, das in der politischen Diskussion bestehen kann.  

    Der Einsatz von ExVe erfolgt seit Jahren zuverlässig. Da wir von dem Prinzip einer einzigen Schnittstelle überzeugt sind, basiert ADAXO ebenfalls darauf. Unsere neue Herausforderung bestand darin, das Feld nach der Datenausleitung neu zu beschreiben. Heute ist ein Datenraum ein sehr allgemeines, aber mächtiges Konstrukt, das wir entlang der gesamten Wertschöpfungskette anders bewerten müssen. In dem erweiterten Konzept werden die ausgeleiteten Daten nun diversen Playern zu fairen Konditionen angeboten. Während ein OEM die Daten nutzt, stehen sie gleichzeitig anderen Abnehmern über ein vertraglich geregeltes Business-to-Business-Verhältnis zur Verfügung. 

    Welche politischen Entscheidungen zum Thema fahrzeuggenerierte Daten stehen als nächstes an?

    Ziel der Europäischen Kommission ist es, den Datenaustausch innerhalb der Branchen stärker zu kontrollieren und mehr zu fördern als bisher. Einen Entwurf der sektorspezifischen Regulierung für den Automotive-Bereich, also für den Zugang zu den fahrzeuggenerierten Daten, erwarten wir zeitnah. Die Europäische Kommission hat bereits verschiedene Stakeholder, Verbände und Interessenverbände zu Stellungnahmen aufgerufen. Mit unserem ADAXO-Konzept haben wir eine hervorragende Grundlage für die weitere politische Diskussion erarbeitet.