Eigene Akademie und Lehrgänge

    Schwäbische Formel gegen Fachkräftemangel – „schaffig, präzise, kreativ“

    Stand: 19. März 2024

    Die meisten Unternehmen der Automobilbranche haben derzeit mit einem akuten Fachkräftemangel zu kämpfen. Exemplarisch zeigen wir hier an einem Unternehmen welche Wege möglich sind. Die Anton Häring KG mit Hauptsitz in Bubsheim (Baden-Württemberg) lässt sich vom harten Wettbewerb um gutes Personal nicht entmutigen und gewinnt mit ihrem Akademiekonzept neue Mitarbeitende aus dem In- und Ausland für die schwäbische Alb. 

    Es sind alarmierende Zahlen: In einer Umfrage des VDA (Stand November 2023) unter den mittelständischen Mitgliedsunternehmen geben 71 Prozent der befragten Firmen an, dass sie unter dem Fachkräftemangel leiden. 43 Prozent hätten demnach Schwierigkeiten, freie Stellen in Deutschland zu besetzen. 

    Doch Not macht bekanntlich erfinderisch, das beweist auch die Anton Häring KG. Seit 1961 entwickelt und fertigt der Familienbetrieb aus Bubsheim Präzisionsteile, etwa für Einspritztechnologien, Sensortechnologien, Getriebetechnologien, Bremstechnologien, Lenkungstechnologien, batterielektrische Antriebssysteme oder Wasserstoffanwendungen. Bereits 1969 beginnt Häring selbst auszubilden und meistert so den ersten Fachkräftemangel in den achtziger Jahren. Später gründet die Firma eine eigene Akademie. Heute ist Häring mit rund 4.400 Beschäftigten an weltweit fünf Standorten einer der international führenden Hersteller von Präzisionsteilen und Baugruppen und produziert drei Millionen Drehteile für Mittel- und Großserien pro Tag.

    Vom Hauptschüler bis zum Topabiturienten haben wir alles an Bord und möchten jeden bestmöglich abholen und unterstützen.
    Miriam HäringGeschäftsleiterin der Anton Häring KG

    „Vom Hauptschüler bis zum Topabiturienten haben wir alles an Bord“

    Seit 2005 gibt es für die Berufseinsteigerinnen und -einsteiger bei Härings Firmenzentrale ein eigenes Akademiegebäude. Hier stehen Ausbildung, Weiterbildung und auch das Netzwerken in der Region im Fokus. Die schwäbische Alb gilt als Cluster für die Drehteilefertigung. Im Umkreis von 20 Kilometern gibt es rund 200 Betriebe, die im Bereich der Zerspanungstechnik tätig sind. Derzeit bietet das Unternehmen seinen aktuell rund 360 Nachwuchskräften weltweit 23 verschiedene Ausbildungsberufe und Studiengänge an.

    Jedoch registriert das Unternehmen seit Längerem, dass das Bildungsniveau der Auszubildenden abnehme. Daher stellt der Konzern ergänzend zur gewerblichen Ausbildung auch Sprachkurse und weitere Lerneinheiten, etwa für die Grundlagen der Mathematik. „Vom Hauptschüler bis zum Topabiturienten haben wir alles an Bord und möchten jeden bestmöglich abholen und unterstützen“, sagt Geschäftsleiterin Miriam Häring.

    Akademie macht die Schwäbische Alb jünger und internationaler

    Zu dieser Unterstützung zähle auch die Anschlusshilfe für Nachwuchskräfte ins Gemeindeleben vor Ort. Gerade für internationale Neuankömmlinge berge das beschauliche Bubsheim oft das Potenzial für einen Kulturschock. Damit das nicht passiert, organisiert die Firma Ausflüge oder stellt Kontakte zu örtlichen Musik- und Sportvereinen her. „Von den aktuell 950 Beschäftigten im chinesischen Standort Taicang haben circa 150 ein Traineeship in Bubsheim absolviert“, erzählt Häring, denn „unsere Führungskräfte müssen Deutsch sprechen können. Das gilt für alle Standorte.“

    Die demographische Entwicklung zeigt: Die Ausbildungsangebote kommen an und wirken wie ein Jungbrunnen für die Gemeinde Bubsheim. Der Altersschnitt der 1.400-Seelen-Kommune liegt derzeit bei 38,9 Jahren. Zur Orientierung: In Berlin liegt der Altersdurchschnitt bei 42,6 Jahren.

    Auch die Akademie liegt direkt auf dem Gelände der Firmenzentrale.

    Von der Mechanik zur Technologie

    Doch die Branche wird nicht nur internationaler, auch das Aufgabenspektrum nimmt im Rahmen des technologischen Fortschrittes und der Transformation weiter zu. Bis heute sind Zerspanungsmechanikerinnen und Zerspanungsmechaniker das am häufigsten vertretene Berufsbild bei Häring. „Eine Herausforderung und Aufgabe für uns besteht darin, dass die Tätigkeit weiterhin als attraktiv wahrgenommen wird ­–­ gerade beim Nachwuchs. Unsere Angestellten in der Zerspanung bedienen hochkomplexe Anlagen, die auch programmiert werden müssen. Mit einem reinen „Mechaniker-Job“ hat das nicht mehr viel zu tun. Daher bieten wir eine Zusatzausbildung zum Zerspanungstechnologen, bzw. Zerspanungstechnologin an“, macht die studierte Sozialwirtin deutlich.

    Im September 2023 ist der erste Jahrgang der Zerspanungstechnologie an der Anton-Häring-Akademie gestartet. Im Rahmen einer IHK-Ausbildung werden die Lehrinhalte für das Berufsbild Zerspanungsmechanik vermittelt, ergänzt durch Häring-Zusatzmodule für den Technologie-Strang. Dieses Ausbildungsprogramm dauert nur sechs Monate länger als das der Zerspanungsmechanik.

    Wer dem Beruf des Zerspanungstechnologen nachgeht, darf ran an die großen Werkzeuge.

    Portfolio wird breiter

    Auch jenseits der Ausbildung geht man bei Häring die Transformation proaktiv an. Das Unternehmen begreift sich selbst als Fertigungsdienstleister und Experte, produziert Drehteile nach Kundenzeichnung. „Wir produzieren auch heute noch viele Teile, die für den Verbrennungsmotor essenziell sind und an die ein hoher Präzisionsanspruch gestellt wird, wie etwa für Injektoren oder Ventile“, beschreibt Häring. Darüber hinaus fertigt die Firma aber auch Teile für Wasserstoffantriebe, E-Motoren oder das Thermomanagement. Auch aggregatsunabhängige Teile, etwa für Lenk- und Bremssysteme stehen in den Kundenbüchern.

    Die Prozesse sind zu langsam und kompliziert. Das macht es für uns schwer, Angestellte aus dem Ausland als Trainees nach Baden-Württemberg zu holen.
    Miriam HäringGeschäftsleiterin der Anton Häring KG

    Unterm Strich lässt sich attestieren: Bei Häring stellt man sich den Herausforderungen der Zeit, und zwar „schaffig, präzise und kreativ“, wie die Geschäftsleiterin sagt. Trotzdem wünscht man sich von der Politik einen Abbau der bürokratischen Hürden. Ein Beispiel hierfür sind die Visaregularien. „Die Prozesse sind zu langsam und kompliziert. Das macht es für uns schwer, Angestellte aus dem Ausland als Trainees nach Baden-Württemberg zu holen“, bilanziert Miriam Häring. Bleibt zu hoffen, dass trotzdem noch viele Auszubildende ihren Weg in die Akademie und lokale Vereine finden werden. Sie werden dringend benötigt, um dem Fachkräftemangel in Deutschland zu begegnen.

    Fachgebiet Mittelstandspolitik und Wertschöpfungsketten

    Lea Bergmann

    Referentin