Mobilitätspolitik

    Tempolimit hat kaum spürbaren Klimaeffekt

    Über ein generelles Tempolimit in Deutschland wird seit Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Dabei wäre es gar nicht die Lösung für die Probleme, die es beheben soll.

    Über ein generelles Tempolimit in Deutschland wird seit Jahren immer wieder kontrovers diskutiert. Dabei wäre es gar nicht die Lösung für die Probleme, die es beheben soll.

    22. Februar 2023

    Über ein Tempolimit, das infolge des Krieges gegen die Ukraine auch als Energiesparmaßnahme in den Blick gerückt war, wird seit Jahren immer wieder debattiert. Angesichts der hohen Energiepreise und aktuellen Studienergebnisse des Umweltbundesamtes nimmt das Thema nun erneut Fahrt auf. So hat sich aktuell das Umweltbundesamt (UBA) erneut für eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 120 Kilometern pro Stunde auf Autobahnen ausgesprochen und führt als Argument vor allem CO₂-Einsparungen ins Feld.

    Aber ist eine pauschale Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen wirklich der von vielen erhoffte sinnvolle Beitrag für den klimaneutralen Verkehr und andere Herausforderungen?

    UBA-Studie lässt E-Mobilität unberücksichtigt

    In seinen verschiedenen Studien kommt das Umweltbundesamt zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Auffällig sind dabei Veränderungen in der Methodik sowie Annahmen, die schwer nachvollziehbar scheinen, aber einen erheblichen Effekt auf die angenommene CO₂-Ersparnis haben wie unter anderem zur Verkehrsverlagerung. Hinzu kommt, dass die Berechnungen nicht berücksichtigen, dass nach den Plänen der Bundesregierung im Jahr 2030 mit 15 Millionen E-Autos voraussichtlich etwa ein Drittel des deutschen Pkw-Bestandes elektrifiziert ist. Wegen des gegenwärtigen Markthochlaufs der Elektromobilität werden selbstverständlich bis dahin immer mehr E-Autos zugelassen. Diesen steilen Markthochlauf der E-Mobilität erleben wir bereits heute – das UBA lässt jedoch diese Entwicklung in seiner Studie gänzlich außer Acht.

    Die Kernfrage ist also: Würde ein Tempolimit wirklich entscheidend zur Lösung der Klimakrise beitragen?

    Wir sehen einen gewissen Effekt auf das Klima, bezweifeln aber den vom UBA präsentierten Umfang und halten diesen eher für ein „Symbol“ im Kontext der Diskussion. Denn: Für den Klimaschutz hätte ein generelles Tempolimit nur sehr geringe Auswirkungen. Laut den neuesten Ergebnissen des Umweltbundesamts würde ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern jährlich Treibhausgasemissionen in Höhe von 6,7 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente einsparen – das wären knapp 0,9 Prozent des gesamten Treibhausgasausstoßes in Deutschland. Verglichen mit dem weltweiten CO₂-Ausstoß im Jahr 2021 (36,3 Milliarden Tonnen) würde der Anteil knapp 0,0186 Prozent betragen. Wir halten den Wert von 6,7 Millionen Tonnen CO₂ jedoch ausdrücklich für zu hoch.

    Volker Wissing: „Das Tempo gehört in die Eigenverantwortung der Bürger"

    Klar ist: Autobahnabschnitte mit erhöhtem Unfallrisiko, hohem Verkehrsaufkommen oder Baustellen sollten einem Tempolimit unterliegen. Aber es braucht dafür kein generelles starres Tempolimit auf den freien Strecken der Autobahnen. Darauf hat sich auch die Ampel-Koalition verständigt.

    Gegen staatliche Maßnahmen wie ein allgemeines Tempolimit auf deutschen Autobahnen hat sich auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing ausgesprochen: „Das Tempo gehört in die Eigenverantwortung der Bürger, solange andere nicht gefährdet werden. Der Staat sollte sich hier zurückhalten“, sagte Wissing in einem Interview mit der Bild am Sonntag. Er fordert bessere Bedingungen für E-Autos und CO₂-neutrale Kraftstoffe, um den klimaneutralen Verkehr voranzubringen.

    Und welchen Einfluss hätte ein generelles Tempolimit auf andere Herausforderungen wie etwa der Sicherheit im Straßenverkehr? Wir haben die Fakten zusammengestellt.

    Tempolimits zielgerichtet einsetzen

    Mehr als 96 Prozent der deutschen Autobahnen und Bundes-, Landes- und Kreisstraßen unterliegen heute bereits einem permanenten Tempolimit. 30 Prozent des Autobahnnetzes sind dauerhaft oder zeitweise tempobegrenzt. Auf den nicht-limitierten Abschnitten hat sich aus unserer Sicht die Richtgeschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde bewährt.

    Statt pauschaler Limits sollten Geschwindigkeitsbegrenzungen zielgenau über eine digitale Steuerung dort angewendet werden, wo es sinnvoll ist, beispielsweise bei besonders unfallauffälligen Streckenabschnitten oder bei schlechten Witterungs- oder Verkehrsverhältnissen.

    Autobahnen sind die sichersten Straßen

    Hierzulande sind Autobahnen die sichersten Straßen. Das Risiko, auf einer Landstraße ums Leben zu kommen, ist leider etwa 3,5-mal höher als auf einer Autobahn. Zudem nimmt die Sicherheit auf deutschen Autobahnen von Jahr zu Jahr zu: Allein zwischen den Jahren 2000 und 2020 hat sich hier die Zahl der Unfalltoten um rund zwei Drittel reduziert. Dazu hat insbesondere auch die Ausstattung der Fahrzeuge mit modernsten Fahrerassistenzsystemen beigetragen.

    Auch im internationalen Vergleich zeigt sich kein Zusammenhang zwischen einem generellen Tempolimit und dem Sicherheitsniveau auf Autobahnen. Im Jahr 2018 wurden auf Autobahnen von Ländern mit Tempolimit wie Belgien, Frankreich, Italien oder Österreich – bezogen auf die gefahrenen Kilometer – sogar deutlich mehr Verkehrstote verzeichnet.

    Ohne Effekt für die Lärmbelastung

    Eine generelle Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen trägt auch nicht zum Lärmschutz bei: Ab einem Schwerverkehrsanteil von zehn Prozent – was auf über 95 Prozent aller Autobahnabschnitten in Deutschland zutrifft – spielen die Pkw-Geräusche keine Rolle mehr. Zu diesem Ergebnis kam ein Großversuch an der A 45 bei Dortmund.

    Digitale Technik fördert die Sicherheit

    Starre, durch Blechschilder angezeigte Tempolimits, die für alle Verkehrs- und Wetterverhältnisse immer dieselbe Höchstgeschwindigkeit anzeigen, passen nicht in das moderne Verkehrssystem des 21. Jahrhunderts. Deshalb sollte Deutschland auf zeitgemäße digitale Instrumente wie flexible Verkehrsbeeinflussungsanlagen setzen. Weiterhin sollte die bereits bestehende Ausstattung von Autobahnabschnitten mit entsprechenden Wechselverkehrszeichen ausgebaut werden.

    Zukünftig werden moderne Fahrerassistenzsysteme zusätzlich für mehr Sicherheit sorgen. Die weitere Digitalisierung von Fahrzeugen und Infrastruktur schafft außerdem noch bessere Voraussetzungen für eine situations- und streckenbezogene Temporegelung.

    Brauchen wir ein Tempolimit auf deutschen Straßen, Frau Müller?

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    Ansprechpartner

    Dr. Michael Niedenthal

    Leiter des Fachbereichs Transportpolitik

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